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TV-Dreikampf der kleinen Parteien: Brüderle gegen Trittin gegen Gysi

Foto: Max Kohr/ dpa

TV-Dreikampf der kleinen Parteien Schnell, scharf, schlagfertig

Was für ein Unterschied zu Merkel gegen Steinbrück: 60 Minuten lang stritten sich die Spitzenleute von FDP, Grünen und Linken beim TV-Dreikampf - egal ob bei Rente, Mindestlohn oder Steuererhöhungen. Trittin unterstellt Brüderle sogar Lüge, Gysi muss sich den Vorwurf der Planwirtschaft anhören.

Berlin - So kann eine TV-Debatte also auch laufen: schnell, spannend, schlagfertig. Die Spitzenleute der kleinen Parteien FDP, Grüne und Linke haben sich 60 Minuten lang über die richtigen Rezepte gegen Altersarmut und für mehr soziale Gerechtigkeit gestritten.

"Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist gut, die Lage für viele Menschen ist nicht gut", sagte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin zu Beginn der ARD-Sendung "Der TV-Dreikampf". Er lieferte sich einen Schlagabtausch mit Rainer Brüderle (FDP) und Gregor Gysi (Linke). Die Höhepunkte können Sie hier im Minutenprotokoll nachlesen.

In der Runde bekräftigte Gysi seine Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. "Wir haben den größten Niedriglohnsektor in Europa", sagte der Linken-Politiker. Brüderle konterte: "Man kann natürlich alles schlechtreden." Der von der Opposition geforderte einheitliche flächendeckende Mindestlohn sei ökonomisch falsch.

Trittin wies darauf hin, dass es auch in anderen europäischen Staaten wie Großbritannien und den Niederlanden längst gesetzliche Mindestlöhne gebe. Dagegen gebe es in Deutschland nach wie vor Friseure, "die für 4,50 Euro die Haare schneiden". Zugleich werde vom Staat Geld ausgegeben, um den Menschen den Lohn aufzustocken. Durch Mindestlöhne ließen sich daher vier Milliarden Euro an Lohnsubventionen für Aufstocker einsparen.

Beim Thema Rentenpolitik verteidigte Brüderle die Linie seiner Partei. Er hielt Linksfraktionschef Gysi vor, eine Einheitsrente zu fordern. "Das ist Planwirtschaft perfekt, das führt in die Irre." Gysi plädierte für eine generelle Rentenreform: Rund 40 Prozent der Menschen seien nicht abhängig beschäftigt und zahlten deshalb nicht in die Rentenkasse ein. Von der beschlossenen Rente mit 67 müsse wieder zu einem Rentenbeginn mit 65 Jahren zurückgekehrt werden. Trittin machte sich dafür stark, das Rentenniveau durch höhere Einkommen zu stabilisieren.

Trittin verteidigte die von seiner Partei bei einem Wahlsieg angekündigten Steuererhöhungen: Bei dem Konzept würden durch eine Anhebung des Grundfreibetrags 90 Prozent der Einkommensbezieher mehr Netto vom Brutto haben, sagte Trittin. Um das zu bezahlen, würde der Spitzensteuersatz für etwa 5 bis 7 Prozent der Top-Verdiener angehoben. Brüderle zweifelte diese Rechnung an: "Ich möchte die Märchenstunde beenden." Die grünen Steuerpläne würden die Mitte der Gesellschaft belasten, etwa durch eine Besteuerung von Vermögen mittelständischer Betriebe. Trittins Konter: "Sie lügen."

Geht es nach dem Grünen-Politiker, soll Deutschland beim Klimaschutz vom Bremser wieder zum Vorreiter werden. Trittin forderte, die großflächigen Ausnahmen von der Ökostrom-Umlage für die Wirtschaft abzuschaffen. FDP und Union hatten sie eingeführt, dadurch müssen laut Trittin auch "Schlachthöfe und Autohäuser ihren Strom nicht mehr vollständig bezahlen".

Gysi warb für einen Sockeltarif beim Strom, durch den 300 Kilowattstunden pro Haushalt und zudem 200 Kilowattstunden pro Person gebührenfrei sein sollten. Für darüber hinaus verbrauchten Strom solle der Preis dann höher ausfallen, um Sparanreize zu setzen. Brüderle drängte erneut darauf, die Förderung von Solarstrom zurückzufahren. Derzeit zahle "die Oma mit ihrer Leselampe" Quersubventionen für Hauseigentümer mit Solaranlagen.

Die Spitzenkandidaten wollten mit ihrem Auftritt knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl unentschlossene Wähler mobilisieren - besonders für die Liberalen hing von diesem TV-Dreikampf viel ab. Brüderle, Trittin und Gysi stellten sich in einem Berliner Fernsehstudio in einem alten Kraftwerk den Fragen von WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn und seinem Kollegen Sigmund Gottlieb vom Bayerischen Rundfunk. Die ARD sendete live, zudem wurde ins Radio und Internet übertragen.

Am Vorabend waren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) in Berlin-Adlershof gegeneinander angetreten. Es war das einzige TV-Duell vor der Bundestagswahl. Einen klaren Sieger gab es am Schluss dieser Debatte nicht - abgesehen von Moderator Stefan Raab und Merkels Deutschlandkette. Laut den Umfrageergebnissen nach dem TV-Duell hat jedoch der SPD-Kanzlerkandidat bei den unentschlossenen Wählern deutlich besser abgeschnitten als die Regierungschefin.

aar/dpa/AFP
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