TV-Elefantenrunde Kanzler im Siegesrausch

So skurril war die Elefantenrunde noch nie. Ein vor Selbstbewusstsein strotzender Kanzler, der seine Niederlage nicht eingesteht, ein Außenminister, der sich deutlich von ihm absetzt und der Union Avancen macht, sowie eine kleinlaute Kandidatin der Opposition.
Von Rüdiger Ditz

Berlin - Die Teilnehmer der Berliner Runde in ARD und ZDF staunten nicht schlecht. Noch nie hat sich ein Kanzler nach einer verlorenen Wahl derart präsentiert: aggressiv, vorwurfsvoll, unversöhnlich. Kaum hatte Moderator Nikolaus Brender dem "Herrn Bundeskanzler" das Wort erteilt, ging die Gerd-Show los. Was folgte, war eine dreiviertel Stunde zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein, Attacken gegen Journalisten und Opposition, Siegesgewissheit.

Der Tisch, an dem Schröder Platz genommen hatte, war genauso breit wie die Tische der anderen Spitzenkandidaten. Trotzdem wirkte der Kanzler, als würde er kaum dahinter passen: Ja, er sei noch Bundeskanzler, "auch wenn Ihnen das nicht passt", fuhr er den ZDF-Chefredakteur an. Der wies die Unterstellung empört zurück.

Ob Schröder wirklich meine, er könne angesichts der Prozentverluste den Wahlsieg beanspruchen? "Natürlich kann ich das!", polterte der. Die anderen Teilnehmer gaben sich irritiert, zu diesem Zeitpunkt lag die Union nach Hochrechnungen noch mindestens einen Prozentpunkt vor der SPD. Weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün zeichnete sich eine absolute Mehrheit ab.

So manches Bündnis dürfte spätestens nach dieser Runde nur noch schwer vorstellbar sein. Große Koalition? "Nur unter meiner Führung", schleuderte der Kanzler seinen Kontrahenten Angela Merkel und Edmund Stoiber entgegen. Dann also eine Ampelregierung unter Beteiligung der FDP?

"Nicht mit uns", so Parteichef Guido Westerwelle und fragte dann den Kanzler offen, "was Sie vor der Sendung gemacht haben". Die FDP gehe lieber in die Opposition, als mit Schröder zu paktieren.

Den Kanzler stoppte das nicht. Er unterbrach die Moderatoren, die anderen Redner und versteifte sich auf seine Position: Ohne ihn gehe nichts mehr in Deutschland. Auf die Frage, ob er sich eine Große Koalition unter seiner Führung vorstellen könne, antwortete Schröder: "Was denn anderes?"

CDU-Spitzenkandidatin Merkel, die für sich den Wahlsieg beanspruchte, rief er zu: "Sie wird keine Koalition mit meiner Partei zustande kriegen. Machen Sie sich da nichts vor." In der Kandidatenfrage hätten die Deutschen eindeutig votiert. Dass in der Bundestagswahl ein Parlament und nicht der Kanzler gewählt wird, unterschlug Schröder.

Verhalten versuchte die sichtlich enttäuschte Unionskandidatin gegenzuhalten: "Rot-Grün ist abgewählt", sagte sie, das sei beim Kanzler wohl noch nicht ganz angekommen. Und weiter: "Ich werde meinen Weg finden, mit den Sozialdemokraten zu sprechen." CSU-Chef Edmund Stoiber mokierte sich sichtlich wütend über die "Arroganz" Schröders, der den Wählerwillen nicht akzeptiere. "Wir haben alle die Aufgabe, eine stabile Regierung zu bilden." Gegen die Union könne das nicht gelingen.

Erst als Joschka Fischer das Wort ergriff, wurde der Blick des Kanzlers erstmals unsicher: "Besser ist es, sich Gedanken zu machen, was die Wählerinnen und Wähler uns da mitgegeben haben", sagte Schröders Vize-Kanzler und setze sich deutlich von seinem früheren Partner ab. "Da haben wir jetzt eine Große Koalition als eine Koalition, die immer geht. Oder aber es bedarf eines entsprechenden Nachdenkens und das werden wir heute Abend gemeinsam jetzt nicht mehr schaffen." Sichtlich unwohl setzte er hinzu: "Ich bin froh, wenn die Runde zu Ende geht." ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann erwiderte unerbittlich: "Sie müssen noch zehn Minuten aushalten."

Die nutzte der Kanzler noch mal zur Attacke. Erneut warf er ZDF-Chefredakteur Brender vor, dass er gegen seine Kanzlerschaft sei. Der konterte: "Diese Form der Unterstellungen geziemt sich nicht in einer Debatte in den öffentlich-rechtlichen Sendern. Ich nenne Sie jetzt nur noch 'Herr Schröder'."

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