Wem die Abgeordneten folgen Seibert ist der Twitter-Star

Kanzlerin Merkel und ihr Regierungssprecher
Foto: Michael Kappeler/ picture alliance / dpaEr verkündete auf Twitter die Ernennung seines Vize-Präsidenten Mike Pence und forderte im Wahlkampf, dass Hillary Clinton wegen der Email-Affäre eingesperrt werden müsste. Für Donald Trump ist Twitter das Medium, über das der Republikaner seine politischen Ansichten und Entscheidungen öffentlich macht - ungefiltert, polemisch, direkt. Mit erstaunlicher Resonanz: Über 16 Millionen Menschen folgen dem künftigen US-Präsidenten.
Hillary Clinton should have been prosecuted and should be in jail. Instead she is running for president in what looks like a rigged election
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) October 15, 2016
In Deutschland können die Spitzenpolitiker von solchen Zahlen nur träumen. Twitter hat dort nie die Beliebtheit wie in den USA erreicht - es ist vor allem ein Medium, in denen ein Zirkel von bestimmten Nutzern unter sich bleibt.
Aber wem folgen die Politiker auf Twitter? Sind es die eigenen Kollegen, öffentliche Institutionen oder Journalisten ?
Politikberater und Blogger Martin Fuchs hat die Twitteraccounts von 343 Bundestagsabgeordneten ausgewertet - so viele der 630 Parlamentarier nutzten zum Zeitpunkt der Auswertung ihren Account aktiv. Das heißt: Sie veröffentlichten zumindest einen Tweet und/oder folgen einer anderen Person. Die Ergebnisse hat er SPIEGEL ONLINE zur Verfügung gestellt.
Fuchs berät Regierungen, Parlamente und Parteien im Bereich der digitalen Kommunikation. Seit 2008 ist er zudem Lehrbeauftragter für Public Affairs an der Universität Passau.
Bei der Grünen-Fraktion nutzt ein Großteil Twitter, nur sechs von 63 Abgeordneten haben keinen aktiven Account. Am schlechtesten schneidet die CDU-Fraktion ab. Bei den Konservativen twittert nicht einmal die Hälfte der Abgeordneten. Auch Kanzlerin Angela Merkel hat keinen eigenen Account.
Diese Aufgabe übernimmt für sie Regierungssprecher Steffen Seibert. Er steht bei den Bundestagsabgeordneten an der Spitze der meistgefolgten Twitteraccounts. Die News des früheren ZDF-Moderators haben über alle Fraktionen hinweg 235 Abgeordnete abonniert. 68 Prozent aller Parlamentarier folgen ihm - die meisten davon aus der CDU (104), die wenigsten von den Linken (24).
Vor einigen Jahren sah Seibert in dem Medium noch keinen Sinn: Wenn Politiker twitterten, sei das eine Anbiederung an das junge Publikum. Diese Meinung änderte er schnell und eröffnete einen
Guten Tag, aktuelle Informationen zur bundesregierung ab heute auch per Twitter. Folgen sie mir unter @RegSprecher. Ihr Steffen seibert
— Steffen Seibert (@RegSprecherStS) February 28, 2011
Über 8500 Tweets hat der Merkel-Sprecher inzwischen abgesetzt. Gelegentlich rückt er dabei auch Aussagen der Kanzlerin gerade, etwa als diese 2013 das Internet als "Neuland" für alle bezeichnete und dafür viel Kritik einstecken musste.
Zur Neuland-Diskussion: Worum es der Kanzlerin geht - Das Internet ist rechtspolitisches Neuland, das spüren wir im polit. Handeln täglich.
— Steffen Seibert (@RegSprecherStS) June 19, 2013
Die Entscheider wirken anziehend
- Sieben Medienaccounts befinden sich auf den ersten zwölf Plätzen - darunter die Tagesschau, SPIEGEL ONLINE und Zeit Online.
- Die Nachrichten von Peter Altmaier haben ebenfalls viele Berliner Politiker abonniert. Der Chef des Bundeskanzleramts ist mehrsprachig bei Twitter unterwegs und geht dabei auch schwierigen Debatten nicht aus dem Weg. Zu der Crystal-Meth-Affäre von Grünen-Politiker Volker Beck schrieb er zunächst auf Twitter : "In der Drogenpolitik bin ich zwar anderer Meinung als die Grünen. Aber Respekt für Volker Beck für die schnelle und klare Reaktion." Für diese Aussage erhielt Altmaier neben Lob auch viel Kritik.
Wie die Politiker den Dienst wirklich nutzen, lässt sich nur schwer überprüfen. Denn einer Person oder Organisation zu folgen, bedeutet noch nicht, dass man deren Tweets auch wirklich liest. Dennoch: Wenn ein Politiker einem anderen Abgeordneten, einer Organisation oder einem Journalisten folgt, kann das in gewissem Maße etwas über die Vorlieben und Interessen des Nutzers aussagen. Die Ergebnisse im Überblick:
- Nähe zur Macht: Den Bundestagsabgeordneten ist es offenbar wichtig, über die Geschäfte, Meinungen und Entscheidungen von Kanzlerin Merkel informiert zu sein. Das könnte die hohe Follower-Zahl ihres Regierungssprechers erklären. In jeder Fraktion folgen mehr als 50 Prozent den Nachrichten von Seibert. Diese Annahme spräche auch für die hohe Zahl der Abgeordneten, die dem Account von Merkels Vertrautem Altmaier folgen.
- Klassiker bevorzugt: Berliner Politiker setzen offensichtlich beim Thema Information insbesondere auf die Kanäle der klassischen Medien wie der "Tagesschau" oder von SPIEGEL ONLINE. Kleinere und regionale Medien sind in der Rangliste nicht zu finden.
Die Tabelle zeigt: Auf den ersten Plätzen tummeln sich vor allem Vertreter von CDU, CSU und SPD.
Wagenknecht: Beliebt, aber nicht bei den Bundestagsabgeordneten
- Unter den meistgefolgten Politikern sind sehr viele, die lange und aktiv twittern, erläutert Politikberater Martin Fuchs. Dazu zählen neben Altmaier auch Peter Tauber (CDU) , Dorothee Bär (CSU) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Langes und kontinuierliches Twittern zahlt sich laut Fuchs also offenbar aus.
- Politiker der Linken sind in der oberen Tabellenregion kaum vertreten. Ihren Fraktionschefs folgen nur wenige Parlamentarier: Bei Sahra Wagenknecht sind es 77, bei Dietmar Bartsch 56. Dabei ist Wagenknecht auf Twitter ansonsten sehr beliebt: Mehr als 107.000 Personen folgen ihr, Bartsch kommt dagegen nur auf etwas mehr als 6500 Follower.
- SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann folgen mehr Abgeordnete als Parteichef Gabriel. 83 Prozent der Nutzer aus der eigenen Fraktion haben seine Nachrichten abonniert.

Twitter: Diesen Politikern folgen die meisten Bundestagsabgeordenten
- Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat es in die Top Ten geschafft, ihr folgen 53 Politiker aus der eigenen Fraktion (93 Prozent). Dem zweiten Fraktionschef Toni Hofreiter folgen 42 Grünen-Bundestagsabgeordnete (73 Prozent). Allerdings hat er seit der Eröffnung seines Accounts auch bisher nur einen Tweet abgesendet. Mit diesem verweist er darauf, dass aktuelle Infos von ihm auf seiner Facebookseite zu finden sind.
- FDP-Chef Christian Lindner folgen 116 Parlamentarier und damit 31 Prozent aller Abgeordneten, die Twitter aktiv nutzen.
Und Donald Trump?
- Der Berliner Machtzirkel ist bisher kein Fan von Donald Trump. Der designierte US-Präsident schaffte es nicht mal unter die ersten 480 Accounts, also jene, denen mindestens 50 Bundestagsabgeordnete folgten. Die Parlamentarier in Berlin glaubten wohl eher an einen Sieg von Hillary Clinton, der Demokratin folgen 65 Bundestagsabgeordnete.
- Beliebt sind auch Barack Obama (89) und Papst Franziskus. Politisch ist die Piratenpartei schon lange in der Versenkung verschwunden. Trotzdem folgen ihr erstaunlich viele Bundestagsabgeordnete (58).
- Und auch ein fiktiver Twitterer befindet sich in der Liste der meistgefolgten Nutzer: Jakob Maria Mierscheid. Angeblich ist Mierscheid katholisch, verwitwet und vierfacher Vater. Er soll seit 1979 im Bundestag sitzen.
Wenn die USA sich von einem Clown regieren lassen wollen, biete ich mich hiermit als kleineres Übel an. #USWahl2016
— Jakob Mierscheid (@jakobmierscheid) November 9, 2016
Weitere Ergebnisse und Analysen der Auswertung gibt es auf der Seite von Politikberater Martin Fuchs.