Überwachung der Linkspartei Politiker kritisieren Verfassungsschutz

Aus Sorge um die Demokratie bewacht der Verfassungsschutz ein Drittel der Bundestagsabgeordneten der Linken. Nun melden sich die anderen Parteien mit heftiger Kritik zu Wort: Die Überwachung sei ein "Unding", sagt die SPD, die FDP findet den Vorgang "unerträglich", "absurd" nennen ihn die Grünen.
Logo der Linken: "Der Inlandsgeheimdienst stellt die Verhältnisse auf den Kopf"

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Foto: Jens Wolf/ dpa

Berlin - Die Linke steht im Visier der Geheimdienstler: Mehr als ein Drittel der Bundestagsabgeordneten wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Am Montag hatte ein Sprecher des Innenministeriums das Vorhaben verteidigt und dabei vor allem die Sorge um die Demokratie angeführt - nun hagelt es Kritik aus allen Reihen.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse nannte die Überwachung der Linken ein Unding. Der "Berliner Zeitung" sagte der SPD-Politiker, er könne nicht erkennen, dass Politiker wie Gregor Gysi oder Petra Pau verfassungsfeindlich agierten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, nannte das Vorgehen des Verfassungsschutzes absurd. Das Parlament benötige einen Schutzmechanismus, damit die Exekutive nicht die Legislative ausforsche.

Die Arbeit von frei gewählten Bundestagsabgeordneten dürfe nicht beeinträchtigt werden, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) der "Süddeutschen Zeitung". "Wenn es tatsächlich wahr ist, dass langjährige Bundestagsmitglieder bis hin zur Bundestagsvizepräsidentin überwacht werden, wäre das unerträglich." Nach der Pannenserie um die Ermittlungen gegen die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle solle der Verfassungsschutz seine Arbeit und seine Schwerpunkte überdenken.

Vorgang mit Konsequenzen

Nur der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), fand versöhnlichere Worte. "Wer sich in der Partei eine Kommunistische Plattform hält, darf sich nicht wundern, dass es eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gibt", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". Allerdings habe ihn die hohe Zahl der überwachten Abgeordneten überrascht. Der Verfassungsschutz müsse "Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen belegen können", sagte Bosbach. "Allein die Mitgliedschaft in der Partei reicht dafür nicht aus."

Der SPIEGEL hatte berichtet, dass 27 Bundestagsabgeordnete der Linken durch den Geheimdienst beobachtet werden. Im Visier der Geheimdienstler sind nicht nur Mitglieder aus dem radikalen Flügel der Partei, sondern auch viele Realos und fast die gesamte Führungselite der Bundestagsfraktion: der Vorsitzende Gregor Gysi, seine erste Stellvertreterin Sahra Wagenknecht, die Mitglieder des Fraktionsvorstands Dietmar Bartsch und Jan Korte sowie die Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann.

Beobachtet werden auch die Bundesvorsitzende Gesine Lötzsch nebst Stellvertreterin Halina Wawzyniak, ebenso die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Petra Pau, die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Katja Kipping, und das Mitglied im Vertrauensgremium des Bundestags, Steffen Bockhahn.

Die Linke selbst zeigte sich tief empört über den Vorgang. Parteichef Klaus Ernst kündigte bereits am Sonntagabend ein parlamentarisches Nachspiel an. "Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Der Inlandsgeheimdienst stellt die Verhältnisse auf den Kopf", sagte Ernst. Das Parlament solle den Geheimdienst kontrollieren, nicht der Verfassungsschutz die Abgeordneten.

aar/dapd/AFP
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