Uiguren-Transfer nach Palau "Wo ist das Problem?"
SPIEGEL ONLINE: Deutschland hat diskutiert, ob es Uiguren aufnehmen soll, die zurzeit noch in Guantanamo einsitzen - jetzt tut es Palau. Wie kam es dazu?
Johnson Toribiong: Ich habe durch den amerikanischen Sondergesandten Daniel Fried eine persönliche Anfrage von Barack Obama übermittelt bekommen, ihm bei der Lösung einer heiklen Frage behilflich zu sein. Und weil unsere Nation Amerika in langjähriger Freundschaft verbunden ist, haben wir uns entschieden, in dieser Angelegenheit auszuhelfen.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben in den USA Jura studiert. Wie beurteilen Sie die Lage der Uiguren?
Toribiong: Es sind ethnische Chinesen, die um ihre Unabhängigkeit kämpfen. Unter Terrorverdacht sind sie in Afghanistan festgenommen und in das Gefangenenlager von Guantanamo Bay verlegt worden. Seither hat das US-Justizsystem festgestellt, dass es sich bei ihnen nicht um feindliche Kämpfer handelt. Wenn man sie nun an ihre Heimat ausliefert, droht ihnen Verfolgung oder schlimmstenfalls gar die Todesstrafe. Das ist wirklich ein Dilemma.
SPIEGEL ONLINE: Haben Sie schon beschlossen, wie viele Uiguren Sie aufnehmen wollen?
Toribiong: Wenn sich alle für eine Aufnahme in Palau eignen, werden wir auch alle 17 Uiguren aufnehmen. Sollte es aber gesundheitliche oder psychische Probleme bei einzelnen Insassen geben, werden wir uns mit den USA noch einmal beraten müssen. Wir schicken am Freitag eine Delegation nach Washington, um Aspekte unserer künftigen Assoziation mit den Vereinigten Staaten zu verhandeln. Im Anschluss daran wird die Delegation nach Guantanamo weiterfliegen, um die Uiguren zu treffen und detaillierte Unterlagen über ihren Gesundheitszustand und eventuelle psychische Probleme einzusehen. Sobald sie mir Bericht erstattet haben, können wir in konkrete Verhandlungen mit den USA eintreten. Die Gefangenen haben übrigens einen Rechtsbeistand - auch mit diesen Anwälten werden wir verhandeln.
SPIEGEL ONLINE: Die USA sollen für die Aufnahme der Gefangenen durch Palau 200 Millionen Dollar zahlen. Ist diese Zahl korrekt?
Toribiong: Die Zahl ist komplett aus der Luft gegriffen. Ich habe von diesem angeblichen Deal aus den Nachrichten gehört - und ich war wirklich sehr verblüfft darüber, weil unsere Geste des guten Willens und der Menschlichkeit nicht mit den Verhandlungen über unsere generellen Beziehungen zu den USA vermischt werden soll. Unser Angebot ist als Bekenntnis zu Amerika gemeint, dem wir eng verbunden sind. Unser Angebot ist eine rein humanitäre Geste - und die gilt. Aber vielleicht sollte ich kurz erläutern, wie wichtig unsere Beziehung zu den Vereinigten Staaten ist: Ich habe gerade ein Dekret unterzeichnet, das den 16. Juni zu einem Tag nationaler Trauer erklärt. Weil ein junger Mann aus Palau gefallen ist, der in Afghanistan an der Seite der Amerikaner gegen den Terrorismus gekämpft hat. Unsere Bereitschaft, mit den USA zu kooperieren, geht weit über den Transfer der Uiguren hinaus.
SPIEGEL ONLINE: Sehen Sie die Anfrage aus den USA auch als einen Versuch Washingtons, den Druck aus der Debatte mit Deutschland und anderen Verbündeten zu nehmen?
Toribiong : Soweit ich weiß, ist der Sondergesandte Daniel Fried von hier aus weiter nach Australien gereist, um die Bitte auch an die dortige Regierung zu richten. Es ging jetzt wirklich darum, schnell eine Lösung für Menschen zu finden, die meiner Meinung nach schon fast wie Paria behandelt wurden. Vielleicht ist Palau, ein Staat ohne jeden Feind in der Welt, genau der richtige Flecken, um diesen Menschen eine neue Heimat in Freiheit zu geben.
SPIEGEL ONLINE: Der deutsche Generalstaatsanwalt hat von seinem US-Kollegen Beweise verlangt, dass die Uiguren nicht gefährlich sind. Haben Sie keine Sorgen, dass die Männer gefährlich sein könnten?
Toribiong : Unsere Bevölkerung zählt 20.000 Einheimische und noch einmal 6000 Bürger mit ausländischem Pass. Darunter sind 445 Muslime aus Bangladesch, die ohne Probleme bei uns leben. Ich glaube nicht, dass 17 ethnische Chinesen eine Bedrohung für uns darstellen werden. Sie werden hier keine Waffen haben und keine Organisation. Wenn sie Ärger bereiten, werden wir sie wegen Störung des öffentlichen Friedens festnehmen und in ein Gefängnis überstellen. Verstoßen sie gegen Gesetze, kommen sie eben ins Gefängnis. Wo ist das Problem?
SPIEGEL ONLINE: Als ehemaliger Botschafter in Taiwan sind Sie sich bestimmt bewusst, welche Konsequenzen das für Ihre Beziehungen zu China haben kann. Haben Sie schon erste Anzeichen für eine negative Reaktion?
Toribiong : China hat offiziell Protest eingelegt, dass eine Überstellung der Gefangenen nach Palau nicht rechtmäßig sei. Ich denke, dass sich die USA im Rahmen unseres Assoziationsabkommens vor uns stellen und versuchen werden, China zu beschwichtigen - oder wenigstens zu erklären, dass wir diese Menschen aus humanitären Gründen aufnehmen, bis über ihren künftigen Status entschieden worden ist.