Nach Putins Angriffskrieg Bundestag stimmt Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zu

Nun also doch: Deutschland soll wirksame, auch schwere, Waffen und komplexe Systeme an die Ukraine liefern. Der Bundestag unterstützt das Ansinnen mit den Stimmen der Ampelfraktionen sowie von CDU/CSU.
Ein Gepard-Panzer der Bundeswehr

Ein Gepard-Panzer der Bundeswehr

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Christian Charisius / REUTERS

Dem fraktionsübergreifenden Antrag war ein zähes Ringen zwischen Ampel und Union vorausgegangen. CDU/CSU hatten zunächst einen eigenen Antrag geplant – der Ampelantrag war ihnen bei der Lieferung von schwerem Gerät nicht weit genug gegangen. Nun wurde der Antrag mit dem Titel »Frieden und Freiheit in Europa verteidigen – Umfassende Unterstützung für die Ukraine« mit großer Mehrheit angenommen.

Laut Parlamentsvizepräsident Wolfgang Kubicki stimmten 586 Abgeordnete mit »Ja«, 100 votierten gegen den Antrag, sieben enthielten sich. Die Fraktionen von AfD und Linke hatten zuvor angekündigt, gegen die Waffenlieferungen zu stimmen.

Mit dem Papier unterstützt nun der Bundestag die Bundesregierung dabei, die »Lieferung wirksamer, auch schwerer, Waffen und komplexer Systeme durch Deutschland« an die Ukraine voranzutreiben. Die Rüstungsexporte sollen im engen Austausch mit den Nato-Partnern besprochen werden. Der Antrag gilt vor allem als symbolisches Zeichen einer großen Einheit im Parlament.

Die Unionsfraktion hatte zuvor einen eigenen Antrag zurückgezogen, nachdem sie Änderungen am Papier von SPD, Grünen und FDP erreicht hatte. Sie hatte als Bedingung für ihre Zustimmung eine Entkopplung vom geplanten 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr genannt. Ursprünglich wollte die Ampel auch Teile dieses Geldes für Waffenlieferungen aufwenden. In der geeinten Fassung des Antrags heißt es nun, der Bundestag fordere die Bundesregierung auf, »schnellstmöglich den Gesetzentwurf zur Einrichtung eines ›Sondervermögens Bundeswehr‹ zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit und die damit verbundenen Investitionen umzusetzen«.

»Nicht schutzlos dem Aggressor Putin ausliefern«

Die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann verteidigte die neuen Waffenlieferungen an die Ukraine als einen Spagat. Es gehe darum, »einerseits nicht Kriegspartei zu werden und andererseits die Ukraine nicht schutzlos dem Aggressor Putin auszuliefern«. Kiew müsse auf deutsche Unterstützung vertrauen können, zugleich müsse eine weitere Eskalation verhindert werden.

Auch Friedrich Merz (CDU) begrüßte die Waffenlieferungen, warf Kanzler Olaf Scholz (SPD) jedoch vor, über Wochen der Diskussion über Waffenlieferungen ausgewichen zu sein. Dies sei »nicht Besonnenheit (...) das ist Zögern, das ist Zaudern, das ist Ängstlichkeit«. Erst das Engagement von CDU/CSU hätten den nun beschlossenen Antrag möglich gemacht. »Waffengewalt darf nur das letzte Mittel sein«, sagte Merz und sei auch ein Eingeständnis, dass die Diplomatie gescheitert ist. »An dem Punkt stehen wir seit dem 24. Februar«, sagte Merz, also seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine.

SPD-Chef Lars Klingbeil wies Merz’ Kritik zurück: »Das hätte heute eine staatspolitische Rede von Ihnen werden können. Es ist aber eine parteipolitische Rede geworden.« Es gehe darum, Prinzipien auch in einer Zeitenwende »nicht über den Haufen zu werfen« – Merz wirke hingegen auf ihn, als überlege er sich »morgens beim Aufstehen, womit er sich heute befassen will«.

»Wie eine Beitrittserklärung in den Krieg«

FDP-Fraktionschef Christian Dürr begründete die Lieferung schwerer Waffen mit der Art der russischen Kriegsführung in der Ukraine. »Es ist richtig, schwere Waffen in diese Lieferungen mit einzubeziehen. Russland hat die Ukraine überfallen mit einem Vielfachen an Militärgerät. Fünfmal so viele Panzer, dreimal so viele aktive Soldaten. Die Ukraine befindet sich in einem Krieg auf offenem Boden«, sagte Dürr.

Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla warf der Regierung hingegen vor, Deutschland zu einer Kriegspartei in einem potenziell atomar geführten Krieg zu machen. »Der Antrag liest sich wie eine Beitrittserklärung in den Krieg«, so Chrupalla, »wir befinden uns aber nicht im Krieg mit Russland.« Laut Chrupalla müsse die Regierung nun hoffen, dass die letzten diplomatischen Wege mit Moskau nicht abgebrochen werden. Russland sei ebenso wie die Ukraine ein souveräner Staat. »Es liegt im deutschen Interesse, auch zukünftig zu beiden Staaten ein gutes Verhältnis zu unterhalten, politisch, wirtschaftlich und kulturell.«

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch zeigte sich unverständig ob der nun beschlossenen Waffenlieferungen. Erst habe Scholz zu Recht deren Lieferung ausgeschlossen, um einen drohenden dritten Weltkrieg zu verhindern. Nun kommen die schweren Geschütze plötzlich doch: »Dass vier Tage nach dem SPIEGEL-Interview mit Scholz nun so ein Antrag verabschiedet wird, ist das Gegenteil von Führungsstärke.« Im SPIEGEL hatte Scholz noch vergangenen Woche seine Ablehnung zur Entsendung schwerer Waffen mit der Furcht vor einem Atomkrieg begründet .

Regierung verteidigt Kurswechsel

Erst am Dienstag hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nach einem Kurswechsel der Regierung die Lieferung von Flugabwehrpanzern Gepard aus Industriebeständen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden angekündigt. Die geplante Lieferung soll auch mit einer größeren Menge Munition ergänzt werden.

Am Mittwoch hatte bereits Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die geplanten Waffenlieferungen im Bundestag verteidigt – auch vor dem Hintergrund von Warnungen vor einer drohenden atomaren Eskalation. Welche Schritte Russland in dem Krieg noch gehe, liege allein im Ermessen von Präsident Wladimir Putin, sagte die Grünenpolitikerin auf die Frage, welche Rolle die Gefahr eines Atomkrieges bei der Entscheidung gespielt habe.

mrc
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