"Aufruf" ehemaliger NVA-Generäle Antifaschistischer Wortschwall
Briefe mit abstrusen Forderungen gehören in Berliner Abgeordnetenbüros zur Tagesordnung, aber dieses Pamphlet hat eine besondere Note.
"Die von den USA und ihren Verbündeten betriebene Neuordnung der Welt", schreiben die Verfasser, "hat in den letzten Jahren zu Kriegen in Jugoslawien und Afghanistan, im Irak, Jemen und Sudan, in Libyen und Somalia geführt." Absender des Schreibens: frühere Spitzenoffiziere der Nationalen Volksarmee - jener Streitmacht, die mit der DDR vor 25 Jahren unterging.
Den auch im Netz verbreiteten Brief erhalten dieser Tage etliche Bundestagsabgeordnete. Er thematisiert angeblich die Krise in der Ukraine, vor allem geht es darin aber um "die jüngsten Kriege der USA und der Nato", "die in den Medien geschürte Kriegshysterie und Russenphobie", "die forcierte Militarisierung Osteuropas".
Der antifaschistische Wortschwall zeigt vor allem eins: Die Verfasser, versammelt in der "Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR", sind böse auf die Besserwessis in Washington, Brüssel und Berlin.
"Eine beispiellose Medienkampagne"
Wer als Politiker das Schreiben - dankbar aufgegriffen vom Moskauer Propaganda-Kanal "Russia Today" - nicht ignoriert, ist zumindest irritiert. Der CDU-Abgeordnete Philipp Lengsfeld etwa, der selbst in der SED-Diktatur aufwuchs, sieht die berechtigte Forderung nach Frieden im Donbass instrumentalisiert . "Die Auslandseinsätze der Bundeswehr haben nichts mit der Lage in Osteuropa zu tun", sagte er.
Die Unterzeichner des Aufrufs "Soldaten für den Frieden", unter ihnen der DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn, sehen das anders. "Offensichtlich zielt die Strategie der USA darauf ab, Russland als Konkurrenten auszuschalten und die Europäische Union zu schwächen", schreiben die Genossen. Dafür schüre eine (nicht näher benannte) Macht jene "beispiellose Medienkampagne", in der "unverbesserliche Politiker und korrumpierte Journalisten die Kriegstrommel rühren".
Die Autoren des Briefs, eine Art Zentralkomitee zur Bewahrung der Militär-Ostalgie, erregen nicht zum ersten Mal Aufsehen. Vor zwei Jahren marschierten Dutzende Veteranen in DDR-Uniformen vor dem sowjetischen Ehrenmal in Berlin auf, Trommelwirbel und zackiger Gang inklusive - ein Gerichtsprozess ließ nicht lange auf sich warten.
In einem Video trat damals unter anderem der frühere DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler auf. Auch Ex-Armeegeneral Keßler, der wegen Totschlags von "Republikflüchtigen" ein paar Jahre in Haft verbracht hat, unterzeichnete den Brief an die Bundestagsabgeordneten.
Warum die Welt auf solch traditionsbeseelte Verteidiger des Arbeiter- und Mauernstaats hören sollte? Weil NVA-Generäle und DDR-Grenzer ihr "Können für die Erhaltung des Friedens und den Schutz unseres sozialistischen Staates DDR eingesetzt" haben, wie sie in dem Brief tönen. Kritik am russischen Brudervolk ist demnach per se undankbar, denn: "Es sei daran erinnert, dass die Sowjetarmee im II. Weltkrieg die Hauptlast bei der Niederschlagung des Faschismus getragen hat."
Dass diese Aussage stimmt, ändert nichts am seltsamen Beigeschmack des angeblichen Friedensappells der einst SED-treuen Militärs. Man könnte im Ukraine-Konflikt für eine Deeskalation auf beiden Seiten werben, für eine Achtung des vereinbarten Waffenstillstands, für den Respekt vor der territorialen Unversehrtheit von Staaten. Man könnte, doch die NVA-Veteranen können das offenbar nicht.