Umfrage Deutsche halten sich nicht für antisemitisch
Berlin - Lediglich zwölf Prozent der Deutschen denken, dass eine "große Zahl" Juden ablehne. Als Gründe für mögliche Ressentiments nannten 65 Prozent der Befragten in der repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid die "Politik Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten", 50 Prozent die "Wiedergutmachungsleistungen Deutschlands insgesamt" und 39 Prozent die "unterstellte Bereicherung einzelner Juden bei den Wiedergutmachungsleistungen". 32 Prozent der Berfragten antworteten, kritische Meinungen über Juden lägen an deren angeblicher wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Macht.
Emnid befragte im Auftrag der "Welt" und des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin am 5. November 1006 Bundesbürger. Die Äußerungen des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann, der Juden in Zusammenhang mit dem Begriff "Tätervolk" gebracht hatte, hatten eine Debatte über Antisemitismus in Deutschland entfacht.
Weiter Wirbel um Hohmann
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen" erneut einen Fraktionsausschluss Hohmanns gefordert. Im Interesse der großen demokratischen Volkspartei erwarte er, dass die CDU/CSU zu der Einschätzung komme, dass der hessische Abgeordnete, "der eine solche braune Soße wieder aufrührt", in der Fraktion nichts zu suchen hat, sagte Schily.
Auch der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok hält Hohmann für nicht mehr tragbar in der Partei. Ein solcher Mann habe "in der CDU nichts zu suchen", sagte Brok am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Einen Parteiausschluss hält er jedoch für schwierig. Das Parteiengesetz sei "sehr kompliziert". Brok sprach sich deshalb dafür aus, den Druck auf Hohmann so zu erhöhen, dass er die CDU verlässt.
CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer verteidigte hingegen bei "Christiansen" die Entscheidung, Hohmann nicht aus der Unions-Fraktion des Bundestages auszuschließen. Die Rüge des CDU-Bundesvorstands für Hohmann und dessen Abzug aus dem Bundestags-Innenausschuss seien ausreichend. Ein Fraktionsausschluss sei problematisch, da es im Parteiengesetz für einen solchen Schritt hohe Hürden gebe, sagte Meyer.
Mit Blick auf einen möglichen Rechtsstreit um ein Ausschlussverfahren sagte Meyer, er wolle nicht, "dass wir über drei Jahre eine solche Diskussion haben". Das, was die Union gemacht habe, sei "notwendig, aber auch hinreichend". Es gehe der CDU darum, dass solche "abstrusen Gedanken" in der Partei keinen Platz haben.
Für den israelischen Botschafter in Deutschland, Shimon Stein, sind die Äußerungen Hohmanns ein gesellschaftspolitisches Problem. "Das geht über die Parteien hinaus. Das ist nicht nur ein Problem für die CDU, das ist ein Problem für die deutsche Gesellschaft", betonte der Diplomat in der Sendung.
Mehr als eine Woche nach der Veröffentlichung von Hohmanns Äußerungen distanzierte sich nun auch sein CDU-Landesverband: Die Äußerungen seien "völlig inakzeptabel und stehen im Gegensatz zu den Grundwerten der CDU", erklärte der hessische Landesvorstand am Wochenende. Die CDU Hessen stehe hinter dem Beschluss des Bundesvorstands, der Hohmann gerügt und für den Fall einer Wiederholung weitere Konsequenzen in Partei und Fraktion angekündigt hatte.
Hohmanns Antisemitismus-Affäre hatte am Sonntagabend in Frankfurt auch eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Pogromnacht vom 9. November 1938 überschattet. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) verteidigte in der Westendsynagoge die Entscheidung der Unions-Spitze, zunächst kein Parteiausschlussverfahren gegen Hohmann einzuleiten. Daraufhin verließen einige Zuhörer unter Protestrufen die Synagoge, andere quittierten die Rede Kochs mit Buh-Rufen.