Umgang mit Beck Merkel wirft SPD Würdelosigkeit vor

Beck weg, Comeback für Müntefering und Steinmeier: Der SPD-Führungswechsel elektrisiert die Große Koalition. CDU-Chefin Merkel lobt ihren Vizekanzler, kritisiert aber die Partner-Partei als zerrissen - und den Umgang mit dem zurückgetretenen Vorsitzenden Beck als würdelos.

München/Berlin - Auch die Kanzlerin dürfte am Wochenende vom plötzlichen Umbruch bei der SPD überrascht worden sein. An diesem Montag dann reagierte Angela Merkel endlich auf die Rückkehr von Franz Müntefering, die Kanzlerkandidatur von Frank-Walter Steinmeier - und den Abgang von Kurt Beck. Und zwar mit deutlichen Worten: Die Umstände, unter denen der Parteichef zurückgetreten sei, entsprächen nicht "der Würde einer Volkspartei", sagte Merkel. Sie deuteten vielmehr auf die tiefe innere Zerrissenheit des Koalitionspartners hin. "Ich hoffe, dass das jetzt überwunden werden kann."

Angela Merkel äußert sich zum Machtwechsel in der SPD: Die Umstände des Beck-Rücktritts entsprächen nicht "der Würde einer Volkspartei", so die Kanzlerin.

Angela Merkel äußert sich zum Machtwechsel in der SPD: Die Umstände des Beck-Rücktritts entsprächen nicht "der Würde einer Volkspartei", so die Kanzlerin.

Foto: REUTERS

Zugleich dankte sie Beck für dessen "zuverlässige Arbeit" und wünschte ihm für die Zukunft alles Gute.

Auch Beck selbst hatte ungenannten SPD-Politikern eine Intrige gegen ihn vorgeworfen. "Gezielte Falschinformationen" aus der Partei über Steinmeiers geplante Nominierung zum Merkel-Herausforderer hätten ihn zu dem Schritt getrieben, teilte er mit.

Die Zusammenarbeit im Kabinett werde durch die Konkurrenz von Außenminister Steinmeier als SPD-Kanzlerkandidat nicht beeinträchtigt, sagte Merkel: "Ich gratuliere Herrn Steinmeier dazu, dass ihn die SPD als Kanzlerkandidaten nominiert hat. Ich werde mit ihm weiter in der Regierung gut zusammenarbeiten, freue mich vor allem auch auf einen spannenden Wahlkampf nächstes Jahr." Die Union werde weiter die Kraft der Stabilität und der Mitte sein.

Zu Müntefering sagte Merkel: "Wir kennen uns ja mittlerweile recht gut." Müntefering war bis vor einem Jahr Vizekanzler und Arbeitsminister in Merkels Kabinett.

Laut Vizeregierungssprecher Thomas Steg haben sich Merkel und Steinmeier gegenseitig für die Zeit bis zur Bundestagswahl einen fairen Umgang miteinander versprochen. Beide hätten bekräftigt, dass sie so lange wie möglich sachliche Regierungsarbeit leisten wollten und dann einen "kurzen, spannenden Wahlkampf" führen wollten, sagte er in Berlin. Dieser Wahlkampf solle "sehr fair, menschlich fair ablaufen, das haben sich beide in die Hand versprochen", sagte Steg. Merkel sei von der Kandidatur Steinmeiers nicht überrascht worden, sondern sie habe "von Steinmeier persönlich erfahren, dass er nominiert wurde".

Wann genau Steinmeier die Kanzlerin über seine Kandidatur informierte, sagte Steg nicht. Beide hätten "über's Wochenende miteinander telefoniert". Dies sei geschehen, "bevor bestimmte endgültige Entscheidungen getroffen waren". Auch Außenamtssprecher Jens Plötner wollte keinen genauen Zeitpunkt nennen. Das Telefonat habe nicht den Entscheidungen der SPD-Gremien vorgegriffen "und war so zeitnah, wie es der Anstand des Umgangs zwischen zwei Koalitionspartnern gebietet".

"Steinmeier muss deutlich machen, welchen Kurs er fährt"

Nach einer außerplanmäßigen Telefonschaltkonferenz des CDU-Präsidiums sagte Generalsekretär Ronald Pofalla in Berlin, Steinmeier habe bislang in den innerparteilichen Diskussionen "laut geschwiegen". Nun müsse er deutlich machen, "welchen Kurs er fährt". Bei Müntefering sei daran zu erinnern, dass er auf dem Parteitag der SPD im vergangenen Jahr in der internen Auseinandersetzung um die Fortsetzung der Reformpolitik der "Agenda 2010" unterlegen war.

Beck sei weg, die Themen in der SPD jedoch weiter ungelöst, sagte Pofalla weiter. "Ich rufe die SPD auf, schnellstmöglich die interne Probleme zu lösen, wir brauchen einen stabilen Koalitionspartner."

Es liege nun an Steinmeier, Antwort auf "drängende Fragen" zu geben. Pofalla wertete einen Stopp von Andrea Ypsilanti in Hessen als "ersten großen Lackmustest für Steinmeier". Es komme nun darauf an, dass Steinmeier "Wort halte" und die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitenregierung durch die Linke verhindere.

Pofalla warnte Steinmeier auch vor einem "Buhlen um Stimmen der Linkspartei in der Bundesversammlung". Ferner sei Steinmeier mit der Frage zu konfrontieren: "Gilt die Agenda 2010 oder nicht?"

Auch CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder forderte von der SPD-Führung ein klares Bekenntnis zur Fortsetzung der Großen Koalition. Steinmeier müsse nun beweisen, dass ihm am Erfolg des Regierungsbündnisses liege, sagte er. Die direkte Konkurrenz zwischen Vizekanzler und Bundeskanzlerin bei der nächsten Wahl sei eine "schwierige Situation" für das Regierungsbündnis. Es komme nun darauf an, dass sich Steinmeier weiter als Teil der Regierung verstehe, forderte Kauder. Außerdem müsse die SPD die Chance nutzen und ihr Verhältnis zur Linkspartei klären.

SPD-Fraktionschef Peter Struck hat allerdings an diesem Montag schon klargemacht, dass die Parteispitze keine Möglichkeiten sieht, den hessischen Landesverband von dem geplanten rot-grün-roten Pakt zur Machtübernahme abzubringen. Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti will sich an diesem Dienstag mit der Linken-Fraktion in Hessen treffen, um über die Zusammenarbeit zu beraten.

Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) forderte die SPD auf, ihre Kandidatin Gesine Schwan aus dem Rennen um das Bundespräsidentenamt zu nehmen. Die SPD dürfe nicht der Linken hinterherhecheln. Durch den Führungswechsel in der SPD seien deren Probleme nicht gelöst: "Dadurch hat sich nichts wesentlich geändert." Bei der Landtagswahl am 28. September müsse die SPD eine "gscheide Watschn" bekommen. 15 Prozent wären noch viel zu viel für die Partei, sagte Beckstein.

asc/Reuters/AP/dpa/AFP

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