Umstrittene Thesen Berliner SPD-Chef fordert Sarrazin zum Austritt auf

SPD-Politiker Sarrazin: "Ein unbelehrbarer Wiederholungstäter"
Foto: Robert Schlesinger/ dpaBerlin - Bisher sind nur einzelne Passagen aus neuem Buch bekannt. Doch mit diffamierenden Äußerungen zu muslimischen Migranten hat der Bundesbankvorstand noch vor dem Erscheinungstermin für Empörung gesorgt. Seine Partei geht auf Distanz zu dem SPD-Politiker und versucht, ihn zum Austritt zu bewegen.
Der Berliner SPD-Landeschef Michael Müller forderte Sarrazin in einem Brief auf, die Partei zu verlassen. Mit seinen Positionen entferne dieser sich immer mehr von sozialdemokratischer Politik, schrieb Müller. "Da Du aber diesen Weg offenbar weitergehen willst, fordere ich Dich auf, gehe ihn ohne die SPD und tritt aus der Partei aus", hieß es in dem am Freitag in Berlin veröffentlichten Schreiben.
"Seit unserer Gründung bis heute ist es Kern unserer Politik, jene in die Gesellschaft zu integrieren, die drohen aus ihr herauszufallen - waren das in früheren Zeiten die einfachen Arbeiter, später die Generation der Gastarbeiter oder heute sozial Benachteiligte - ob mit oder ohne Migrationshintergrund", appellierte Müller an seinen Parteifreund.
Zuvor hatten bereits SPD-Bundesparteichef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Sarrazin den Parteiaustritt nahegelegt. Ob ein Ausschlussverfahren angestrengt werden soll, müsse die Landespartei entscheiden, sagte der Vorsitzende von Sarrazins Berliner SPD-Ortsverband Neu-Westend, Robert Drewnicki. Ein erster Anlauf wegen früherer Äußerungen war im Frühjahr gescheitert. Drewnicki kündigte an, er wolle Sarrazin in einem Brief ebenfalls zum Parteiaustritt auffordern. Der SPD-Politiker stehe nicht mehr auf dem Boden der Grundwerte der Partei, sagte Drewnicki.
Integrationsbeauftragte wirft Sarrazin Bösartigkeit vor
Sarrazin kritisiert in seinem in Auszügen im SPIEGEL vorab veröffentlichten Buch "Deutschland schafft sich ab" die deutsche Zuwanderungspolitik. Der frühere Berliner Finanzsenator wirft muslimischen Migranten vor, sich nicht in die Gesellschaft integrieren zu wollen und mehr Kosten zu verursachen, als Nutzen zu bringen. Sarrazin spricht davon, dass "muslimische Einwanderung die deutsche Gesellschaft untergräbt", geißelt die "Attitüden der muslimischen Einwanderer" und lästert über "Importbräute". Er warnt zudem davor, dass die Deutschen zu "Fremden im eigenen Land" werden könnten.
Die Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Aydan Özoguz, warf Sarrazin "Bösartigkeit" vor. Seine Äußerungen seien "widerlich" und pure Provokation. Auch die Kanzlerin hatte ihre Entrüstung kundgetan.
Am kommenden Montag will Sarrazin sein Buch im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin vorstellen - und muss sich dabei auf Protest von Parteifreunden gefasst machen. Die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert und mehrere Parlamentarier der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus riefen zu einer Protestkundgebung des Bündnisses "Rechtspopulismus stoppen" auf. "Herr Sarrazin ist ein unbelehrbarer Wiederholungstäter, der die Grundwerte der SPD mit Füßen tritt", kritisierte Rawert. Mehrere islamische Organisationen, darunter der Islamrat, wollen auf einer Pressekonferenz zu dem Buch Stellung nehmen.
FDP-Politiker fordert Machtwort des Bundesbankpräsidenten
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, hielt Sarrazin vor, er habe in seinen sieben Jahren als Berliner Finanzsenator nichts getan, um die schlechten Bildungsergebnisse in der Hauptstadt zu verbessern. "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen", sagte die CDU-Politikerin im RBB-Inforadio.
Nach Ansicht des Deutschen Instituts für Menschenrechte liegen wesentliche Forderungen Sarrazins zur Integrationspolitik jenseits des Kerns des Grundgesetzes. Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) warf Sarrazin laut "Focus Online" vor, mit seinen Integrationsthesen Vorurteile gegen Muslime zu schüren.
Der stellvertretende FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Patrick Döring forderte Bundesbankpräsident Axel Weber zum Eingreifen auf. Weber solle Sarrazin "nahelegen, in Zukunft entweder sein für die Bank schädliches Verhalten zu beenden oder seinen Vertrag bei der Bundesbank aufzulösen", sagte Döring im "Handelsblatt".