Empörung über Nazi-Vokabel CDU-Abgeordnete Kudla löscht "Umvolkung"-Tweet

Von Rauswurf ist bisher keine Rede, doch die Unionsfraktion erhöht den Druck auf Bettina Kudla. Ihren umstrittenen Tweet über die "Umvolkung Deutschlands" hat die CDU-Abgeordnete nun gelöscht.
CDU-Abgeordnete Bettina Kudla

CDU-Abgeordnete Bettina Kudla

Foto: DPA/ Laurence Chaperon

Für die Führung der Unionsfraktion ist es keine einfache Aufgabe. Noch will sie den Fall der CDU-Bundestagsabgeordneten Bettina Kudla nicht zu hoch hängen, ihr nicht die Möglichkeit geben, sich womöglich noch zu einer Märtyrerin zu stilisieren.

Dass Kudla im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise über ihren Twitter-Account von einer "Umvolkung Deutschlands" gesprochen hatte, hat für massive Empörung gesorgt - in und außerhalb ihrer eigenen Partei. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel forderte gar den Ausschluss der Abgeordneten aus der Unionsfraktion. Soweit wird es aber vorerst wohl nicht kommen.

Zunächst will die Fraktionsspitze Kudla ins Gebet nehmen. Dem Vernehmen nach hat der Chef der sächsischen Landesgruppe, Michael Kretschmer, bereits das Gespräch mit der Leipziger Parlamentarierin gesucht. In den kommenden Tagen wolle CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer mit Kudla reden, hieß es am Montag aus der Unionsfraktion. Womöglich zeigte der Druck bereits Wirkung: Am Montagnachmittag löschte die Abgeordnete ihren Tweet.

Ungeschehen machen kann sie ihren Ausfall damit nicht. Mit dem Begriff "Umvolkung" hat sich Kudla einer Sprache bedient, die in Kreisen der rechtspopulistischen AfD, der Islamgegner von Pegida und Rechtsextremisten benutzt wird. Im Nationalsozialismus war mit "Umvolkung" die Germanisierung deutschfreundlicher Bevölkerungsgruppen in eroberten Gebieten Osteuropas gemeint.

Grosse-Brömer hatte sich bereits am Wochenende im Namen der Fraktion "eindeutig von Inhalt und Sprache" distanziert, ebenso der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer ("nicht nachvollziehbar"), CDU-Generalsekretär Peter Tauber nannte ihre Aussage "unsäglich" und versicherte, diese stehe nicht für die CDU.

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Es war nicht das erste Mal, dass sich Parteifreunde für Kudla entschuldigen müssen. Die Parlamentarierin aus Leipzig, in München geboren und ausgebildet, war bereits vor gut zwei Wochen mit Äußerungen zum türkischen Journalisten Can Dündar in die Schlagzeilen geraten. Sie hatte den verurteilten Regierungskritiker in einem beleidigenden Tweet als "Cansel Dünnschiss" tituliert.

Versuche von SPIEGEL ONLINE, mit Kudla zu sprechen, blieben in der jüngeren Vergangenheit und auch am Montag ergebnislos. Die gebürtige Münchnerin sitzt seit 2009 für den Wahlkreis Leipzig I im Bundestag, wo sie im Juni mit einem Nein gegen die Armenien-Resolution  für Aufsehen gesorgt hatte. In einer Erklärung begründete sie ihre Haltung damit, dass es nicht Aufgabe des Bundestags sei, historische Bewertungen von Ereignissen in anderen Staaten vorzunehmen. Sie befürchtete zudem politische und finanzielle Folgen in der Flüchtlingspolitik durch eine Beschädigung des Verhältnisses zur Türkei.

Fällt Kudla bei Kandidatenaufstellung durch?

Der Ärger um Kudlas "Umvolkungs"-Tweet erinnert an den Fall des hessischen CDU-Abgeordneten Martin Hohmann, der im November 2003 mit großer Mehrheit aus der Bundestagsfraktion der Union ausgeschlossen worden war. Hohmann hatte zuvor in einer Rede in Fulda im Zusammenhang mit Verbrechen während der bolschewistischen Revolution in Russland erklärt: "Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka- Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als 'Tätervolk' bezeichnen."

Chefin der Unionsfraktion war damals Angela Merkel, sie distanzierte sich von Hohmann, als dessen Rede öffentlich bekannt wurde. Bis zu seinem Ausschluss aus der Fraktion vergingen rund zwei Wochen. Zunächst war Hohmann mit einer Rüge belegt worden, zudem hatte ihn die Unionsfraktion aus dem Innenausschuss des Bundestags und als Berichterstatter über Entschädigungsfragen für NS-Zwangsarbeiter abgezogen. Nach der Bundestagsfraktion war Hohmann 2004 auch aus der hessischen CDU ausgeschlossen worden. Er selbst weist bis heute den Vorwurf des Antisemitismus von sich. Hohmann ist seit Frühjahr 2016 in der AfD, er sitzt für die Partei im Fuldaer Kreistag.

Im Fall der Abgeordneten Kudla ist in der Union von Parteistrafen oder gar einem möglichen Parteiausschluss derzeit nicht die Rede. Man hofft offenbar auf ein Einsehen der Abgeordneten. Doch was, wenn die Abgeordnete nicht mitspielt? Im Fall Kudla könnte es womöglich eine elegantere Lösung geben: Denn bei der Aufstellung in ihrem Bundestagswahlkreis muss Kudla am 22.Oktober in der Leipziger CDU mit Michael Weickert und Jens Lehmann mit zwei Gegenkandidaten rechnen.

Gerüchte, wonach sie womöglich mit ihren Tweets einen Übertritt zur AfD vorbereitet und so die erste Bundestagsabgeordnete der rechtspopulistischen Partei werden könnte, hatte sie selbst Mitte September zurückgewiesen. "Ich bin mit Leib und Seele CDU-Mitglied und Bundestagsabgeordnete für diese Partei. Mit einer Partei wie der AfD verbindet mich nichts", sagte sie der "Leipziger Volkszeitung".

Damals ging es um ihren umstrittenen Tweet zum Journalisten Dündar. Im selben Interview versprach sie aber auch: "Sie können davon ausgehen, dass künftige Äußerungen wieder in der von mir gewohnten angemessenen Art und Weise erfolgen werden."

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