Debatte um Homo-Gleichstellung "Ich bin nicht der einzige Schwule in der CDU"
SPIEGEL ONLINE: Herr Kaufmann, Sie sind unter den 13 CDUlern, die eine Initiative zur steuerlichen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften gestartet haben. Wieso bringen Sie das Thema in der Sommerpause?
Kaufmann: Ende Juni hat der Bundestag auf Antrag der Grünen über eine Öffnung der Ehe für Homosexuelle abgestimmt. Es war deutlich erkennbar, dass Abgeordnete aus CDU und FDP Bauchschmerzen dabei hatten, gegen den Antrag zu stimmen, der gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht zur Eheschließung einräumen sollte - einige haben sich enthalten. Nach diesem Stimmungsbild haben wir zusammen mit dem Bundesverband der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) entschieden, jetzt in die Offensive zu gehen und nicht dem Bundesverfassungsgericht hinterherzulaufen.
SPIEGEL ONLINE: Finanzminister Wolfgang Schäuble bremst die steuerliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren. CSU-Politiker fürchten um die besondere Stellung der Ehe. Wie empfinden Sie die Reaktionen aus der CDU und auch CSU?
Kaufmann: Schäuble muss ja schon qua Amt skeptisch sein, schließlich würde eine steuerliche Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften 30 Millionen Euro kosten. Es haben sich aber auch bereits zahlreiche prominente Kollegen, wie Familienministerin Kristina Schröder, Dagmar Wöhrl von der CSU und auch Schäubles Schwiegersohn, der baden-württembergische CDU-Chef Thomas Strobl unserer Forderung angeschlossen.
SPIEGEL ONLINE: Gibt es Anfeindungen?
Kaufmann: Ich habe heute morgen eine sehr unverschämte E-Mail bekommen, in der es ums Adoptionsrecht für Homosexuelle geht. Darin schreibt der Absender aus Würzburg, wenn das Kind sechs Jahre alt sei, würde es begreifen, wie eklig das sei, was seine Eltern machten. Aber das ist die Ausnahme. Ich habe das Gefühl, dass sich auch unter Konservativen die Stimmung ändert. Nach einem Interview, das ich im bayerischen Rundfunk gegeben habe, haben zwei Drittel der Anrufer sich für die steuerliche Gleichstellung ausgesprochen.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind der einzige CDU-Bundestagsabgeordnete, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt. Ist es in der CDU schwerer als in anderen Parteien schwul zu sein?
Kaufmann: Sicherlich nicht schwieriger als in der SPD - die Partei ist noch stärker überaltert, oft auch sehr strukturkonservativ. Aber gerade in meiner Anfangszeit in der Stuttgarter Politik habe ich, als ich mit meinem Partner bei Veranstaltungen war, doofe Blicke abbekommen und den ein oder anderen Spruch. Jetzt begegnen mir Vorurteile gegen Schwule eher zufällig.
SPIEGEL ONLINE: Wann zum Beispiel?
Kaufmann: Zum Beispiel wenn Volker Beck im Bundestag redet und ich neben einem Kollegen sitze, der vielleicht nichts von meiner Homosexualität weiß. Da werden dann Sprüche gerissen, Witze, Herrenwitze, die sich aber eben gegen Männer richten. Und ich bin ja sicher nicht der einzige Schwule in der CDU - es gibt viele, die mir sagen: So wie du könnte ich in meinem Wahlkreis nicht auftreten. Besonders in Ostdeutschland ist das ein Problem. Aber ich merke eine unverkrampftere Grundhaltung bei Kollegen, die ähnlich veranlagt sind wie ich, aber nicht offen damit umgehen, seit ich in der Fraktion bin.
SPIEGEL ONLINE: In der CSU gibt es Norbert Geis, der Homosexualität in der Vergangenheit als "nicht naturgemäß" und als "Sünde" bezeichnete.
Kaufmann: Der Hardliner Geis scheint milder geworden. Übrigens schreibe ich ihm seit Jahren eine Karte zum Geburtstag. Kürzlich saßen wir zusammen in einer Sendung - ich bin nicht sicher, ob er vorher wusste, dass ich schwul bin. Aber freundlich grüßen tut er.
SPIEGEL ONLINE: Ist die Union attraktiv für schwule Wähler?
Kaufmann: Jedenfalls muss ich mir oft anhören: Warum bist du als Schwuler in der CDU? Meine Antwort ist dann immer: "Weil ich eben nicht nur schwul bin." Ich möchte auch nicht darauf reduziert werden und keine Ikone der Schwulenbewegung werden wie Volker Beck. Deshalb habe ich mich bei dem Thema bislang auch ziemlich zurückgehalten.
SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie sich geoutet?
Kaufmann: Ich habe mich erst um meinen 30. Geburtstag herum geoutet, zu dem Zeitpunkt fing ich auch in der Politik an. Als ich für den Vorsitz in einem Stuttgarter Bezirk kandidieren wollte, habe ich sofort klar gemacht: "Ich bin offen schwul, ich will mich nicht verstecken. Wenn ihr ein Problem damit habt, lasse ich es!" Es war so, wie es oft ist: Die, von denen man denkt, dass sie total tolerant sind, sind es nicht - und umgekehrt.
SPIEGEL ONLINE: Tauschen Sie sich aus mit anderen Politikern, die sich geoutet haben aus?
Kaufmann: Natürlich gibt es interfraktionelle Kontakte, das Thema verbindet einfach. Im Bildungsausschuss etwa sitzen mehrere Homosexuelle, mit denen ich mich gut verstehe. Aber mit Guido Westerwelle habe ich noch nicht übers Schwulsein gesprochen.