Klausur in Meseberg Die entschleunigte Koalition

Klausur in Meseberg: Die entschleunigte Koalition
Foto: Sean Gallup/ Getty Images30 Minuten früher oder später, das ist so entscheidend nun auch wieder nicht. Die Bühne ist längst bereitet, die Kanzlerin schon da. Nur ihr Vize lässt auf sich warten. Mit einer ungewöhnlich großen Verspätung trifft Sigmar Gabriel schließlich ein.
Erklärung? Nur auf Nachfrage. "Verkehr", sagt der SPD-Chef und zeigt nach draußen. Klar. Sind ja schwierige Bodenbedingungen gerade.
Es ist ein sehr gemächlicher Beginn der ersten schwarz-roten Regierungsklausur. Das Kabinett trifft sich auf Schloss Meseberg, 60 Kilometer vor Berlin. Draußen schneit's, drinnen wärmen sich die Minister an ihrem Kaffee. Kanzleramtschef Peter Altmaier spielt den Schlossherrn und begrüßt jedes eintreffende Kabinettsmitglied am Eingang persönlich. "Hallo, Thomas. Schön, dich zu sehen", sagt er zu Innenminister Thomas de Maizière. "Hallo, Peter", sagt der und trägt erstmal seinen Koffer auf sein Zimmer.
Man ist jetzt endlich mal für einige Zeit unter sich, zwei Tage, um genau zu sein. Da muss ja nicht unbedingt Hektik ausbrechen.
So eine Regierungsklausur ist für eine Koalition eben immer etwas Besonderes. Es geht, vordergründig, um den Arbeitsplan für das anstehende Jahr, eigentlich aber geht es um etwas abstraktere Dinge: um Nähe, Geschwindigkeit und Richtung. Themen also, die für Statik und Erfolg eines Bündnisses entscheidend sein können.
Brandenburger Idylle statt beschleunigtes Regierungsviertel
Gerade zu Anfang einer Koalition gilt es, sich mal besser kennen zu lernen, deshalb die Nähe. Union und SPD hatten dazu noch nicht allzu viel Zeit. Die Koalitionsverhandlungen verliefen hitzig. Dann war Weihnachten, Angela Merkel hatte einen Skiunfall und pausierte. Jetzt sind mal alle unter einem Dach. "Teambuilding" nennt das der Unternehmensberater. Die Kanzlerin sagt es so: "Dies ist eine Regierung." Hinter ihr hängt ein Wandteppich mit tanzenden Menschen. Die Symbolik im Schloss stimmt, für den Moment jedenfalls.
Dass an diesem Mittwoch alles verhältnismäßig gemächlich startet, ist ebenfalls gewollt. Der Gemeinschaftstermin ist auch eine Art Auszeit. Die Beschleunigung im Berliner Regierungsviertel wird für einen Moment von der Brandenburger Idylle abgelöst. Die beiden Partner sind auf der Suche nach der richtigen Geschwindigkeit. Seit ein paar Jahren weiß man, dass diese fürs Regieren nicht unerheblich ist. Schwarz-Gelb lief hochtourig, und blieb dennoch stehen. Das sollte möglichst nicht nochmal passieren.
Das optimale Tempo, so viel lässt sich sagen, haben auch Union und SPD bislang nicht gefunden. Man brauchte ewig, um zueinander zu finden, und als das Regieren endlich losging, feuerten manche im Kabinett ihre Ideen nur so aus allen Rohren. Auch Merkel hat das natürlich registriert. "Erste Aktivitäten haben wir schon verfolgen können", sagt sie. Ein unnachahmlicher Merkel-Satz. Gemeint ist wohl die Umtriebigkeit einiger ihrer Leute.
Eins lässt sich schon jetzt mit ziemlicher Sicherheit sagen: Ein Hochgeschwindigkeitsbündnis wird diese Regierung wohl nicht werden. Der Koalitionsvertrag ist ordentlich erarbeitet worden, ohne allerdings wirklich große Sprünge zu wagen, ohne den Menschen allzu viel zuzumuten. Womit wir bei der Richtung wären, um die es in Meseberg auch noch geht.
"Es geht ja dabei auch um Bio-Energien"
Ein bisschen nach vorne, aber bloß nicht zu weit - in etwa so soll es mit dem Land weitergehen in der kommenden Zeit. Die Deutschen sind ja schreckhaft, was Veränderungen angeht. Und so stehen in Meseberg vor allem die groben Leitlinien im Vordergrund, die das Bündnis prägen sollen. Die Sicherung des Wirtschaftsstandorts, Verbesserungen bei der Rente, solide Finanzen, die Rolle Deutschlands in der Welt - wolkig umschreibt Merkel die anstehenden Themen.
Wirklich entschieden wird in diesen zwei Tagen aber wohl wenig. Viele Berichte, die die einzelnen Minister für die Schlosssitzung vorbereitet haben, haben eher informatorischen Charakter. Die Ausnahme bildet ein Projekt: Gabriels Vorschläge zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Sie dürften bis Donnerstag den meisten Raum einnehmen und sollen wohl auch förmlich beschlossen werden. "Das ist der wichtigste Punkt hier. Es geht ja dabei auch um Bio-Energien", sagt der neue Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich beim Eintreffen, womit er wohl vor allem sagen will, dass auch er bei dem Thema ein Wörtchen mitzureden hat.
Ganz sicher mitreden will die Kanzlerin. Sie weiß, dass die Reform ein großer Wurf wäre - wenn sie denn klappte. Deshalb sagt sie vorsichtshalber: "Das wird ein Projekt der gesamten Bundesregierung und nicht ein Projekt nur eines Ministers."
Er soll aus der Mannschaft bloß nicht ausbüchsen, der Gabriel.