Uno-Antrag von Abbas Deutschland stimmt Palästina-Aufwertung nicht zu

Palästinenserpräsident Abbas vor der Uno (im September 2011): Antrag auf neuen Status
Foto: STAN HONDA/ AFPBerlin - Die Bundesregierung will den Antrag der Palästinenser auf einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen nicht unterstützen. "Eine Zustimmung Deutschlands zu einer solchen Resolution wird es nicht geben", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Die Bundesregierung sei mit den Partnerstaaten diesbezüglich im Gespräch und arbeite darauf hin, dass Europa in dieser Frage möglichst geschlossen dastehe, sagte Seibert.
Das Ziel, einen Beobachterstatus in der Uno zu erreichen, verfolgt der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, seit Monaten. Bislang hat der Vatikan einen solchen Status, die Bundesrepublik Deutschland und die DDR hatten ihn einst, bevor sie 1973 Vollmitglieder der Uno wurden.
Das Auswärtige Amt bemüht sich um eine einheitliche Vorgehensweise innerhalb der EU - bis zuletzt. "Unser Ziel ist es, negative Auswirkungen auf den ohnehin schwierigen Friedensprozess zu verhindern", erklärte am Mittwoch ein Sprecher von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) SPIEGEL ONLINE. Auf Seiten der SPD wird die Regierung hingegen zu einer Kurskorrektur aufgefordert. "Nachdem ein gemeinsames europäisches Abstimmungsverhalten zu scheitern scheint, muss Deutschland alles unterlassen, was Präsident Abbas und Ministerpräsident Fajad weiter schwächt. Das muss die Bundesregierung auch der israelischen Regierung deutlich machen. Ein 'Nein' wäre fatal", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, zu SPIEGEL ONLINE.
Die USA und Israel lehnen Antrag vehement ab
Ähnlich im Tenor klingt es aus einem Gastbeitrag der früheren Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul in der heutigen Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Ein Nein in der Uno-Generalversammlung würde von den Palästinensern als Nein zu ihrem Recht auf Selbstbestimmung gewertet, schreibt sie. "Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf, sich für eine Unterstützung des Antrags Palästinas in der Uno-Generalversammlung am Mittwoch einzusetzen und sich und die Europäer nicht erneut in den Vereinten Nationen aus der Entscheidung zu stehlen."
Die SPD-Bundestagsabgeordnete verwies auf Äußerungen des früheren israelischen Botschafters in Deutschland, Avi Primor. Dieser habe auf einen großen Verlierer hingewiesen: Abbas. Der Präsident der Autonomiebehörde habe, so zitiert sie weiter Primor, "an Beliebtheit in seiner Bevölkerung zugunsten der Hamas unheimlich viel verloren", es sei also unentbehrlich, Abbas zu stärken. Wieczorek-Zeul schlussfolgert, "auch aus deutscher Verantwortung für Israel" sei es notwendig, eine klare Position zum Palästina-Antrag zu beziehen.
Bislang gibt es extrem unterschiedliche Haltungen in der EU: Frankreich will dem Antrag der Palästinenser ebenso wie Luxemburg und Dänemark zustimmen, Großbritannien stellt dafür mittlerweile Bedingungen, nachdem das Land die Palästinenser noch am Dienstag vor der Einbringung einer entsprechenden Resolution gewarnt hatte.
"Möglicherweise ein Schritt rückwärts"
Der britische Außenminister William Hague sagte, sein Land werde unter der Bedingung zustimmen, dass die Palästinenser an den Verhandlungstisch zurückkehrten und Israelis nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof belangten. Die USA und Israel lehnen den Schritt vehement ab und verlangen eine Wiederaufnahme von direkten Friedensverhandlungen - die allerdings seit zwei Jahren auf Eis liegen. Die Kritiker sehen in dem Streben der Palästinenser nach formaler Aufwertung den Versuch, direkte Gespräche mit der Regierung in Jerusalem zu umgehen, um Zugeständnisse an Israel im Gegenzug zur staatlichen Anerkennung zu vermeiden. "Das verkompliziert das größere Ziel einer Verhandlungslösung und ist möglicherweise ein Schritt rückwärts", erklärte das Außenministerium in Washington.
Die 193 Uno-Staaten werden voraussichtlich am Donnerstag in der Vollversammlung in New York darüber abstimmen, ob den Palästinensern der Status als Beobachterstaat ("Non-member-state") zuerkannt wird. Es gilt als wahrscheinlich, dass eine Mehrheit der 193 Mitgliedstaaten im Sinne der Palästinensischen Autonomiebehörde um Präsident Mahmud Abbas stimmen wird.
Auch wenn es sich dabei nicht um die eigentlich angestrebte Vollmitgliedschaft handelt, gilt der Status als wichtiges Instrument in der politischen Auseinandersetzung: Die Palästinenser könnten internationalen Verträgen beitreten und so beispielsweise den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anrufen. Auch gilt der Beobachterstatus als Sprungbrett zur Vollmitgliedschaft.
Die Palästinenser verfügen seit der Anerkennung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) durch die Uno in den siebziger Jahren über einen einfachen Status, vergleichbar mit dem internationaler Organisationen. Zwar erhielten sie 1998 zusätzliche Rechte, wie ein Rederecht bei der Generaldebatte der Uno-Vollversammlung, doch sind sie weiter nicht mit souveränen Staaten gleichgestellt. Mit einem aufgewerteten Beobachterstatus als Nicht-Mitgliedstaat könnten sie unter anderem vor internationale Gerichte ziehen und Israel etwa wegen der Siedlungspolitik verklagen.