Plagiatsvorwürfe gegen von der Leyen Noch nicht abgeschrieben

Ministerin von der Leyen (im Oktober 2014): In der Vorwärtsverteidigung
Foto: Peter Steffen/ dpaDer Witz ist ein Klassiker und nur mäßig lustig, und doch kursiert er auch jetzt wieder: Hat Angela Merkel Ursula von der Leyen schon ihr Vertrauen ausgesprochen?
Das nämlich, meinen Spötter, könnte nur bedeuten, dass es eng wird für die Verteidigungsministerin. Schließlich mussten schon so einige Kabinettsmitglieder ihre Posten räumen, denen die Kanzlerin zuvor den Rücken gestärkt hat: Jung, Guttenberg, Schavan, Friedrich - ist von der Leyen die nächste?
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende steht wegen der Plagiatsvorwürfe um ihre Doktorarbeit erheblich unter Druck. Es geht um ihre Glaubwürdigkeit, eine der wichtigsten Währungen in der Politik. Von der Leyen pflegt das Image der korrekten und disziplinierten Politikerin wie kaum ein anderer in diesem Geschäft. Schlamperei und Nachlässigkeit passen da nicht ins Bild. Erst recht nicht, wenn jemand auf seinen beruflichen Werdegang, inklusive Doktortitel, immer besonders stolz war. Erst recht nicht, wenn sich jemand im Verteidigungsministerium noch nicht am Ende der Karriereleiter angekommen sieht.
Entsprechend alarmiert ist man im Lager von der Leyens. Am Montag teilte die Medizinische Hochschule Hannover mit, dass nach einer Vorprüfung die Doktorarbeit nun "förmlich" untersucht werden soll. Die Uni betonte, das daraus kein Rückschluss auf den Ausgang des Verfahrens zu ziehen sei. Doch dem kleinen Team von Vertrauten rund um die CDU-Politikern ist das Risiko bewusst: Wäre der Titel weg, würden umgehend Rufe nach einem Rücktritt der Ministerin laut.
Ob dieser wirklich zwingend wäre, ist ungewiss. Die Dynamik ist in diesem Fall schwer vorhersehbar. CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg kopierte einst derart dreist, sein Sturz war unvermeidlich. Annette Schavan war Bildungsministerin, ihre laut Hochschul-Gutachten "systematische und vorsätzliche" Täuschung war nicht mit dem Amt vereinbar.
Und von der Leyen? Ehrlichkeit und Anstand sollten auch für sie selbstverständliche Tugenden sein, viel wird davon abhängen, ob die Uni ihr am Ende Absicht unterstellt und sie so zur Schummel-Leyen macht. Die Verteidigungsministerin ist zudem oberste Dienstherrin der Bundeswehr-Hochschulen. "Wer an einer Uni der Bundeswehr plagiiert, wird unehrenhaft entlassen", ätzte am Montag die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger.
Im Video: Vorwürfe gegen Ursula von der Leyen
Zum Problem könnte für von der Leyen werden, dass die Ministerin nicht unbedingt auf den Rückhalt ihres Hauses und ihrer Partei zählen kann. Unter den altgedienten Mitarbeitern im Bendler-Block hat sie sich durch ihr teils harsches Regiment nicht nur Freunde gemacht. Viele CDU-Kollegen beäugen ihren Ehrgeiz misstrauisch. Sie werden den Titelkampf von der Leyens mit leiser Schadenfreude verfolgen.
Auf der anderen Seite kann ein Sturz der Ministerin nicht im Interesse der CDU sein. In der Bevölkerung ist von der Leyen populär, neben Wolfgang Schäuble ist sie Merkels einziger Star im Kabinett. Daher gilt sie auch vielen Kritikern als letzte verbliebende Kronprinzessin der Kanzlerin. Allein deswegen will man auch dem derzeitigen Koalitionspartner keine Vorlage liefern.
Die Sozialdemokraten haben sich vorerst öffentliche Zurückhaltung verordnet. "Das sind schwerwiegende Behauptungen", erklärte der sonst weniger abwartende SPD-Vize Ralf Stegner am Montag auf Nachfrage von Journalisten, nun müsse man die Ergebnisse der Prüfung abwarten. "Ich traue mir da kein Urteil zu." Die SPD schweigt und genießt.
In der Union und im Verteidigungsministerium wundert sich indes mancher über von der Leyens Krisenmanagement. In einer ersten Reaktion hat sie die Plagiatsvorwürfe schroff zurückgewiesen und die Rechercheure von VroniPlag als "Aktivisten" abgestempelt. Mit einer ähnlichen Vorwärtsverteidigung hatte sich einst Karl-Theodor zu Guttenberg ins Verderben manövriert.
Inzwischen sprangen erste Parteifreunde der Ministerin bei. Sie erinnern an die Unschuldsvermutung und die wirklich wichtigen Probleme im Land. Auch wird jetzt gern auf die in Wissenschaftskreisen immer wieder beklagte mangelhafte Qualität medizinischer Doktorarbeiten verwiesen. Die Ministerin entlastet das nicht: Wer sich gern als Gründlichkeit in Person inszeniert, der kann sich nicht auf Schlampigkeit als Gewohnheitsrecht berufen.
Und wie ist es nun um das Vertrauen der Kanzlerin in ihre Ministerin bestellt? Es darf noch ein wenig weiter gewitzelt werden. Merkel enthielt sich am Montag lieber ganz und gar einer Bewertung. Er könne von keiner Reaktion der Kanzlerin oder einem Kontakt zu von der Leyen in dieser Sache berichten, teilte Merkels Regierungssprecher mit. Die Aufklärung werde nun ihren Lauf nehmen.
So oder so.
Beispiele für Plagiatsvorwürfe gegen von der Leyen: