Jan Fleischhauer

Ursula von der Leyen Eine Frau will nach unten

Kalt, berechnend, unsympathisch: Wer wissen will, wie die Zukunft der CDU unter einer Parteivorsitzenden Ursula von der Leyen aussehen würde, muss sich nur ihr Agieren in der Bundeswehr-Krise anschauen.
Verteidigungsministerin von der Leyen

Verteidigungsministerin von der Leyen

Foto: VINCENT KESSLER/ REUTERS

Journalisten sind im Beobachtungs- und nicht im Prognosegeschäft. Dennoch wage ich heute eine Voraussage. Wenn die CDU jemals auf die Idee kommen sollte, Ursula von der Leyen als Parteivorsitzende zu inthronisieren, hat sie sich für längere Zeit von der Macht verabschiedet.

Die Frage ist nicht so theoretisch, wie sie derzeit erscheinen mag. Angela Merkel ist auf dem besten Weg, die vierte Amtszeit zu sichern. Aber auch ewige Kanzler müssen irgendwann abtreten, das ist in einer Demokratie leider unausweichlich. Unter den Kandidaten für die Nachfolge steht die Verteidigungsministerin wiederum an erster Stelle.

Die Chefin ist nie schuld

Wer soll es denn auch machen? Unser trauriger Innenminister Thomas de Maizière, der bei allem, was über den Aktenvermerk hinausgeht, nur leichte Sprache beherrscht ("wir sind nicht Burka")? Der fleißige Herr Gröhe, den sogar die eigenen Leute mit diesem Nachrichtenonkel von n-tv verwechseln?

Krisen sind Bewährungsproben. Deshalb schauen die Leute so genau hin. Klar, es geht immer auch um die Sache - in diesem Fall wäre das die Frage, ob die Bundeswehr ein Problem mit Rechtsradikalen hat. Aber wichtiger ist für viele, wie sich die Person an der Spitze verhält, wenn es ernst wird. Verliert sie die Nerven und schlägt wild um sich, oder bleibt sie auch unter Beschuss cool und gelassen.

Ursula von der Leyen hat sich jetzt als jemand präsentiert, der alles dem eigenen Fortkommen unterordnet - Anstand, Loyalität und die Fürsorgepflicht für die 250.000 Menschen, deren Wohlergehen direkt von ihren Entscheidungen abhängt. Das ist für viele Wähler irritierend, und zwar viel mehr als die Tatsache, dass sich ein paar Kanaillen an Wehrmachtsutensilien aufgeilen oder ein Oberleutnant im Jägerbataillon von Rassenreinheit träumt.

Wer Ursula von der Leyen reden und handeln sieht, der sieht seinen eigenen Vorgesetzten vor sich. Das ist, wenn man so will, der lebensweltlich interessante Aspekt an der Affäre. Jeder kennt aus dem Berufsleben den Typ Chef, der nie schuld ist, wenn etwas schiefgeht. Entweder war er nicht da, wenn ein Fehler passiert ist, oder er wurde schlecht beraten. So oder so müssen andere den Kopf hinhalten.

Die Verteidigungsministerin geht über die normale Schuldverlagerung hinaus, das macht die Sache so bizarr. Man muss nur "Bundeswehr" durch, sagen wir, "Siemens" ersetzen, und man sieht, wie ungewöhnlich ihr Agieren ist. Nehmen wir an, es taucht ein Problem in einer Niederlassung auf. Der Vorstandsvorsitzende sagt darauf eine wichtige Reise ins Ausland ab. Er setzt sich ins Fernsehen und attestiert dem von ihm geführten Unternehmen ein Haltungsproblem sowie Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen.

Als er merkt, dass seine Erklärung die eigenen Leute befremdet, lädt er 40 Journalisten ein, um mit ihm vor Ort nach dem Rechten zu sehen. Jeder Hinweis darauf, dass die Firma ein Grundsatzproblem hat, gegen das nur entschiedenstes Vorgehen hilft, wird der Öffentlichkeit umgehend präsentiert. Wie lange, glauben wir, würde dieser Vorgesetzte die Geschicke der ihm anvertrauten Firma leiten?

Das Presseecho fest im Blick

Der Politikbetrieb ist kein Unternehmen, kann man einwenden, und die Bundeswehr keine normale Firma. Alles richtig. Aber abgesehen von der Linkspartei gibt es nicht einmal in der Opposition jemanden, der aus Einzelfällen auf die gesamte Truppe schließt. Wo eine ausreichend große Zahl an Menschen beschäftigt ist, gibt es immer auch einen Anteil an Spinnern und politisch Verblendeten, das kann nicht ausbleiben. Die Frage ist, ob der Anteil an rechten Spinnern bei der Bundeswehr höher ist als in der Allgemeinbevölkerung und welchen Schaden sie anrichten können.

Warum redet und handelt eine CDU-Ministerin so, als sei sie nicht bei der CDU, sondern bei den Grünen? Meine Antwort wäre: Weil sie sich zu viele Gedanken darüber macht, was am nächsten Tag über sie in der Presse stehen könnte.

Es ist die Krux vieler konservativer Politiker, dass ihnen die Kommentarspalten der "Süddeutschen Zeitung" wichtiger sind als der Wahlkreis, in dem sie aufgestellt wurden. Sie freuen sich wie kleine Kinder, wenn ihnen in der Zeitung für ihre fortschrittliche Gesinnung Beifall gezollt wird. Leider übersehen sie, dass die Leute, die sie wählen, den Meinungsteil der "Süddeutschen" weniger wichtig nehmen als sie selbst.

Auch auf die Journalisten, die eben noch voll des Lobes waren, ist übrigens kein Verlass. Ich kenne viele Kollegen, die Angela Merkel in der Flüchtlingskrise Kränze geflochten haben. Dennoch werden sie am Wahltag ihr Kreuz wieder dort setzen, wo sie es immer gesetzt haben, nämlich bei Rot-Grün.

Man kann erstaunlich weit kommen, ohne sich dem Wähler zu stellen. Ursula von der Leyen hat in ihrem Leben eine größere Wahl gewonnen. Das war ganz am Anfang, als sie für den Landtag in Hannover kandidierte. Seitdem ist sie in jede Position, die sie innehatte, von Menschen, die es mit ihr gut meinten, berufen worden. Ihren Platz im Bundestag verdankt sie ihrer Platzierung auf der Landesliste ihrer Partei.

Die Umgehung des direkten Votums hat allerdings irgendwann ihre Grenze. Um es in der Politik ganz nach oben zu schaffen, muss man gewählt werden, das unterscheidet das politische Geschäft von anderen Führungsaufgaben. Von der Leyen gehört zu den Politikern, die Beliebtheit und Bekanntheit verwechseln. Nur weil man in jeder zweiten Talkshow sitzt, heißt das nicht, dass man auch ausreichend Stimmen holt, wenn es darauf ankommt.

Am Sonntag war die Verteidigungsministern bei "Anne Will". Diesmal sprach sie von dem "Säuberungsprozess", der jetzt beginnen werde. "Säuberung" ist ein schauriges Wort, dennoch wird sie bei diesem Teil der Operation Erfolg haben. Wer in einer Organisation mit 250.000 Angehörigen etwas sucht, wird auch etwas finden.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten