
Plagiatsaffäre Vorteil von der Leyen


Ursula von der Leyen
Foto:REMKO DE WAAL/ AFP
Jetzt ist es offiziell: Ursula von der Leyen hat plagiiert. Wie schon die Internetjäger haben auch die Prüfer der Medizinischen Hochschule Hannover in ihrer Dissertation viele Passagen gefunden, die mit den Maßstäben der guten wissenschaftlichen Praxis nicht übereinstimmen.
Trotzdem belässt die Hochschule der Ministerin den Doktortitel - weil es eben nur um "Fehler" gegangen sei, nicht um ein "Fehlverhalten", das von einer "Täuschungsabsicht getragen" worden wäre.
Wer kein Experte für wissenschaftsrechtliche Regularien ist, wundert sich da schon.
Wie kann man unabsichtlich abschreiben? Wieso ist ein Plagiat kein Fehlverhalten? Und wieso haben die Prüfer unterschieden zwischen Fehlern in wichtigen und in unwichtigen Teilen der Dissertation?
Das Fazit der Hochschule klingt wie ein Freibrief für Medizin-Doktoranden: In den Einleitungen dürft ihr ruhig ein bisschen abpinnen, solange nur die Experimente sauber sind. Bisher, so berichten Plagiatsexperten, haben die Gerichte eigentlich anders geurteilt. Nämlich dass Doktorarbeiten Gesamtkunstwerke sind, die auch nur als Ganzes stehen oder fallen.
Es fragt sich, ob die Medizinische Hochschule Hannover mit der Arbeit eines unbekannten Autors so gnädig gewesen wäre. Und welches einsame Senatsmitglied sich in der 7:1-Entscheidung wohl enthalten hat?
Plagiatsjäger, die Petzen unserer Schulzeit
Viele Deutsche dürften diese Fragen kleingeistig finden, nachtreterisch: Von der Leyen hat schließlich nicht systematisch getäuscht, nur hier und da geschummelt - tun wir das nicht alle?
Die Plagiatsjäger, die oft aus der Anonymität angreifen, sind in der Öffentlichkeit ohnehin keine Sympathieträger. Sie erinnern unangenehm an die Petzen und Streber aus Schulzeiten. Dabei ist ihr Anliegen, die Qualität der Wissenschaft vor Plagiatoren zu bewahren, für ein Land der Denker wie Deutschland enorm wichtig.
Doch weil dieses Thema den meisten Wählern eben weniger wichtig ist, und weil der Regelverstoß schon so viele Jahre zurückliegt, dürfte er nur eine Fußnote in von der Leyens Karriere bleiben. Das Plagiatsthema wird sie nun nicht mehr bremsen, die Niedersächsin kehrt zurück in die Riege der potenziellen Kanzlerkandidatinnen.
Ihre Partei ist kollektiv erleichtert, den Fall endlich abgeräumt zu haben, und das sogar noch vor den Landtagswahlen.
Man muss von der Leyen auch (wieder einmal) Respekt für ihre Nervenstärke zollen. Die Ministerin hat die Dissertation selbst der Universität vorgelegt, hat eisern geschwiegen, bis endlich das Ergebnis vorlag, und derweil beharrlich ihr Ministeramt weiter ausgeübt.
Verglichen mit den früheren Plagiatoren Annette Schavan, die ihre Universität scharf angriff, oder Karl-Theodor zu Guttenberg, der beleidigt um sich schlug, hat sie sich als perfekte Krisenmanagerin erwiesen. Eine wichtige Qualifikation in höchsten Staatsämtern.
Sogar das Votum der Prüfungskommission - Fehler ja, Strafe nein - könnte ihr jetzt noch nutzen: Es lässt die ewig perfekte Ministerin ein bisschen menschlicher erscheinen.
Video: Bekanntgabe der Entscheidung