Gabriel über von der Leyen "Das ist ein Grund, die Regierung zu verlassen"

Sigmar Gabriel
Foto: Wolfgang Kumm/DPADie EU-Regierungschefs haben sich nach langen Verhandlungen auf Ursula von der Leyen als Chefin der Kommission geeinigt. Die Nominierung sorgt für heftigen Ärger in der Großen Koalition. Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel übt nun massive Kritik an der Entscheidung.
Von der Leyens Nominierung sei ein "beispielloser Akt der politischen Trickserei" sagte er dem SPIEGEL. Die Verteidigungsministerin müsse erst von Deutschland als Kommissarin benannt werden, bevor sie von anderen Staats- und Regierungschefs als Präsidentin nominiert werden könne. Denn jeder Kommissionspräsident sei zugleich der national benannte Kommissar seines Landes. Sonst hätte das Land, das den Präsidenten stellt, zwei Mitglieder in der Kommission. Diese nationale Berufung als Kommissar aber müsse durch das Bundeskabinett erfolgen, sagte Gabriel weiter.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstag in Brüssel mitgeteilt, dass sie sich an der Nominierung von der Leyens nicht beteiligt habe, weil sich die Koalition in Berlin nicht einig war. Sie habe sich "entsprechend den Regeln des deutschen Abstimmungsverhaltens" enthalten müssen, sagte Merkel. Alle anderen 27 EU-Staaten hätten dem Vorschlag dagegen zugestimmt.
"Merkels Enthaltung ist Quatsch"
Gabriel bezeichnete Merkels Enthaltung hingegen als "Quatsch". "Wenn Merkel von der Leyen ohne Kabinettsbeschluss benennt, ist das ein klarer Verstoß gegen die Regeln der Bundesregierung - und ein Grund, die Regierung zu verlassen", sagte Gabriel dem SPIEGEL.
Die SPD könne von der Leyens Berufung zur Kommissionschefin aufhalten und "sie muss es aufhalten, sonst macht sie bei diesem Schmierentheater mit und die EU-Wahlen zur Farce", sagte Gabriel.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte hingegen, die Nominierung eines Kandidaten für das EU-Spitzenamt sei alleinige Aufgabe und auch die Pflicht des Europäischen Rates. Von der Leyen, müsse nicht gesondert von der Bundesregierung nominiert werden. Im Anschluss muss die Kandidatin vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Das sei die "ganz klare Aufgabenverteilung zwischen den europäischen Institutionen", sagte Seibert. Die anderen Mitglieder der Europäischen Kommission werden dagegen von den einzelnen Mitgliedstaaten nominiert, das gesamte Kolleg muss sich dann einem zweiten Votum des Europäischen Parlaments stellen.
Zuvor hatte die SPD bereits mitgeteilt, die Nominierung nicht mitzutragen. Dass mit der bisherigen Bundesverteidigungsministerin eine Politikerin zum Zuge komme, die "überhaupt nicht zur Wahl gestanden hat, kann nicht überzeugen", erklärten die kommissarischen SPD-Vorsitzenden Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel am Dienstagabend.
Von der Leyen könnte, wenn sie denn vom Parlament bestätigt wird, die erste Frau an der Spitze der EU-Kommission werden.