Weiteres Rechnungshof-Gutachten Wehrressort zahlte bis zu 150 Millionen Euro jährlich an Berater

Ursula von der Leyen steht wegen millionenschwerer Berater-Etats in der Kritik. Der Rechnungshof berichtet nach SPIEGEL-Informationen in einem zusätzlichen Gutachten über freihändige Vergaben, fehlende Checks und obskure Aufträge.
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen

Foto: imago/ photothek

Es war kein schöner Montag gestern im Bundesverteidigungsministerium: Mehrere Krisensitzungen waren angesetzt, am Ende beorderte Ursula von der Leyen leitende Beamte auch zum Rapport in ihr Dienstzimmer. Die Stimmung bei den Topbeamten und Militärs war hinterher gedrückt.

Grund für den Gesprächsbedarf war unter anderem ein SPIEGEL-Bericht vom Sonntag, wonach das Ressort der CDU-Politikerin rechtswidrig Beraterleistungen im Umfang von rund acht Millionen Euro abgerufen hatte. Das Ministerium hat den Vorgang mittlerweile bestätigt und Besserung gelobt.

Worum geht es? Verknappt gesagt hatte von der Leyens Haus in einem Fall ein Budget für Beraterleistungen aus einem Topf des Bundes abgerufen, der dafür nicht angelegt worden war. Das Ministerium kündigte an, in der Zukunft auf die Regeln achten zu wollen, parallel dazu wurde der bisher sehr weitgehende Zugang von Beratern ins Ministerium komplett gekappt.

Die Frage, wie ihr Ministerium seit von der Leyens Amtsantritt mit Aufträgen für externe Unternehmensberater jongliert hat, dürfte allerdings bestehen bleiben. Denn neben einem Bericht des Rechnungshofs über den Einzelfall aus diesem Jahr gibt es noch ein weiteres vertrauliches Gutachten der Prüfer, das Mitte August fertiggestellt wurde.

  • In dem 18-seitigen Papier, das dem SPIEGEL vorliegt, beschreiben die Experten ein regelrechtes Chaos bei der Beauftragung von Beratern und erheben schwere Vorwürfe gegen die Leitung. Demnach gibt von der Leyens Haus bis zu 150 Millionen Euro jährlich nur für Berater aus.

Das Gutachten ist der Abschluss einer langen Recherche: Fast zwei Jahre lang untersuchte der Rechnungshof Verträge mit Beratungsunternehmen. Dazu wurden 56 Verträge unter die Lupe genommen, die den Steuerzahler insgesamt rund 93 Millionen Euro gekostet haben. Es geht also keineswegs mehr um ärgerliche Einzelfälle.

Bei den Ermittlungen sichteten die Prüfer Tausende Seiten Akten aus dem Ressort und stellten erhebliche Unregelmäßigkeiten fest. In der Zusammenfassung schreibt der Rechnungshof, die schiere Notwendigkeit der Beratung sei "nicht nachgewiesen", auch die Wirtschaftlichkeit der teuren Berater sei in fast keinem der Fälle geprüft worden.

  • Noch schwerer wirkt dieses Prüfergebnis: So stellen die Experten fest, dass die Bundeswehr große Berater-Budgets "häufig freihändig ohne Wettbewerb" vergeben hatte. Die Gründe dafür seien "nicht immer überzeugend".

Für die Ministerin bahnt sich mit dem neuen Bericht ein echtes Problem an. Wie kein anderes Ressort setzt das Wehrressort unter ihrer Führung trotz eines riesigen eigenen Apparats auf die Expertise externer Berater.

Gleich zu Beginn holte von der Leyen Katrin Suder von dem Berater-Riesen McKinsey als Rüstungsstaatssekretärin in Haus. Umgehend wurde dann das Beratungsnetzwerk KPMG mit einem Tausende Seiten dicken Report übers pannenanfällige Rüstungsmanagement beauftragt. Es sollte endlich Schluss sein mit dem Chaos beim Waffen-Einkauf.

Kommt nun heraus, dass es bei vielen folgenden Berater-Jobs nicht mit rechten Dingen zuging, hat die Ministerin ein Problem. Zwar ist Suder mittlerweile ausgeschieden. Die Praxis aber, statt auf eigene Experten auf Externe mit horrenden Tagessätzen zu bauen, blieb. Kritiker sprechen ironisch von "Suders legacy" - möglicherweise ein Vermächtnis mit vielen Risiken.

Liest man den Prüfbericht des Rechnungshofs, scheinen die Zweifel berechtigt zu sein. "In über 80 Prozent der betrachteten Fälle hat die Bundeswehr den Bedarf für die Beauftragung externer Leistungen nicht nachgewiesen", stellen die Prüfer nüchtern fest.

Zudem habe die Bundeswehr "in nahezu keiner der vom Bundesrechnungshof eingesehen Vergaben eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt", die nach der Haushaltsordnung zwingend erforderlich ist.

Prüfer: Verfahren ist klar rechtswidrig

Bei den beanstandeten Verträgen geht es immer wieder um Millionenbudgets. So erwähnt der Rechnungshof einen Deal über 3,5 Millionen Euro. Statt die Wirtschaftlichkeit zu prüfen, habe das Ministerium einfach angegeben, dies sei nicht nötig, da man die Notwendigkeit des Vertrags ausführlich begründet habe.

Aus Sicht des Rechnungshofs ist dieses Vorgehen klar rechtswidrig, daraus machen die Prüfer keinen Hehl. In ihren Empfehlungen fordern sie das Ministerium dringlich auf, die beschriebenen Mängel zu beseitigen. Bisher hat von der Leyens Haus nicht auf den Bericht reagiert. Der Rechnungshof hat eine dreimonatige Frist für eine Stellungnahme gesetzt.

Die Einzelbeispiele aus dem Bericht wirken teilweise wie aus einem schlechten Drehbuch. So engagierte das Ministerium selbst externe Möbelberater für die neue Ausstattung für Kasernen. Die "Fachexpertise in der Möbeltechnik" ließ sich das Ministerium dann einiges kosten, so der Rechnungshof.

Im Bundestag, der das vertrauliche Papier noch gar nicht vorliegen hat, gibt es bereits reichlich Ärger wegen der Vorwürfe. Die Berichterstatter der Parteien forderten in einem vertraulichen Gespräch mit dem Ministerium am Montag schnelle Aufklärung.

Hartes Urteil der Prüfer

Der letzte Teil des aktuellen Papiers dürfte die Haushälter sehr interessieren. So kritisieren die Prüfer, dass das Wehrressort den Hütern über die Steuergelder nur einen Bruchteil der Berater-Verträge zur Zustimmung vorlegen würden. Einen Großteil der Millionenbudgets verbucht das Ministerium stattdessen als sogenannte Unterstützungsleistungen.

Das Delta ist immens. So meldete das Ministerium 2015 Berater-Verträge im Umfang von nur 2,2 Millionen Euro an den Ausschuss, laut Rechnungshof schloss man aber 182 Einzelverträge mit Beratungsunternehmen für rund 100 Millionen Euro ab. Im Jahr 2016 meldete man 2,9 Millionen, gab aber 150 Millionen für Berater aus, so das Papier.

Das Urteil dazu liest sich recht hart: "Das Bundesministerium der Verteidigung", schreiben die Prüfer, "hatte keinen Gesamtüberblick über die Verträge an Externe und externe Beratung." Für Ursula von der Leyen, die bekanntlich sehr gern alle Vorgänge im Haus eng kontrolliert, ist dieser Satz sehr viel mehr als nur ein Alarmsignal.

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