Urteil in Karlsruhe Meinungsfreiheit gilt auch für Neonazis

Ein verurteilter Rechtsextremist hat sich mit seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt: Der Neonazi hatte gegen ein Publikationsverbot geklagt - die Karlsruher Richter gaben ihm jetzt Recht. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gelte auch für Rechtsextreme.
Karlsruher Richter (Archivbild): Publikationsverbot gegen Neonazi aufgehoben

Karlsruher Richter (Archivbild): Publikationsverbot gegen Neonazi aufgehoben

Foto: Uli Deck/ picture-alliance/ dpa

Meinungsfreiheit

Karlsruhe - Die Bundesverfassungsrichter haben am Dienstag ein Urteil zur gesprochen - und zugleich das Publikationsverbot gegen einen verurteilten Neonazi aufgehoben. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gelte auch für Rechtsextreme, heißt es in der in Karlsruhe veröffentlichten Begründung. Die Richter gaben damit der Beschwerde des Rechtsextremen recht, der unter anderem wegen Volksverhetzung vorbestraft ist.

Der Neonazi war 2005 wegen Mitgliedschaft in der terroristischen rechtsextremen Münchner "Schutzgruppe" und wegen eines geplanten Anschlags auf das jüdische Gemeindezentrum in München zu einer Haftstrafe verurteilt worden.

Da der Mann wegen Volksverhetzung vorbestraft war und Artikel für rechtsextreme Blätter verfasst hatte, hatte das Oberlandesgericht (OLG) München zudem ein fünfjähriges allgemeines Publikationsverbot für die "Verbreitung rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts" verhängt.

Die Verfassungshüter hoben dieses Verbot nun auf, weil es zu allgemein gefasst sei und damit "unverhältnismäßig" in die Meinungsfreiheit des Neonazis eingreife. Die Einstufung einer Position als "rechtsextremistisch" sei eine "Frage des politischen Meinungskampfes" und unterliege damit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Einschätzungen, begründete das Gericht seine Entscheidung.

Widerspruch zur Resozialisierung

Mit einem allgemeinen Publikationsverbot zu rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Ansichten werde es dem Kläger deshalb "in weitem Umfang unmöglich gemacht, mit seinen politischen Überzeugungen am öffentlichen Willensbildungsprozess teilzunehmen" - dies stünde in einem gewissen Widerspruch zum Ziel der Resozialisierung.

Der Beschwerdeführer hatte in der Verhandlung darauf hingewiesen, dass er noch nie wegen seiner Veröffentlichungen angeklagt worden sei. Seine kritischen Äußerungen zu Israel und den USA seien nicht illegal.

Nun müssen die Münchner Richter nochmal entscheiden und die Reichweite des Publikationsverbots nach den Maßgaben aus Karlsruhe inhaltlich präzisieren.

Aktenzeichen: 1 BvR 1106/08

amz/dpa/AFP
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