US-Abhördienst EU-Parlament ringt um Anti-Spionage-Resolution

EU-Parlament in Straßburg: Kommt ein Sonderausschuss?
Foto: Patrick Seeger/ picture alliance / dpaBerlin/Straßburg - Gezielte Lauschangriffe auf mehrere EU-Vertretungen, monatlich rund eine halbe Milliarde überwachte Telefonate, E-Mails oder SMS allein in Deutschland: Die neue Dimension der amerikanischen Spähaffäre versetzt auch das Europaparlament in Aufregung.
Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen hat Parlamentspräsident Martin Schulz für den Nachmittag ein Sondertreffen mit Vertretern aller Fraktionen einberufen. Ab 15 Uhr wird darüber beraten, ob und wie man eine gemeinsame Resolution zu den Spähaktionen des amerikanischen Geheimdienstes auf den Weg bringen will.
Die europäische Grünen-Fraktion will eine Vorlage für eine Resolution zur Debatte stellen. Die Kernforderung: "Eine unabhängige und umfassende Aufklärung der Vorgänge", sagte der Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht SPIEGEL ONLINE. Zudem drängen die Grünen darauf, das EU-Parlament möge die EU-Kommission dazu auffordern, rechtliche Schritte gegen die USA und Großbritannien zu prüfen.
Der Ruf nach schneller Aufklärung der US-Spähprogramme ist die Forderung der Stunde: Die Bundesregierung reagierte am Montag auf die neuen Enthüllungen empört, die Kanzlerin ließ verlauten, sie werde in Kürze mit US-Präsident Barack Obama über die Vorwürfe sprechen.
"Mir fehlt das Verständnis"
Für Mittwoch ist im EU-Parlament eine Aussprache zu der transatlantischen Spähaffäre angesetzt. Sollten sich die Fraktionen auf eine Resolution einigen, könnte diese am Donnerstag zur Abstimmung gebracht werden. Daran gekoppelt könnte die Einrichtung einer Untersuchungskommission sein, etwa in Form eines Sonderausschusses. Denkbar ist auch, die Untersuchung der amerikanischen Spähattacken an einen bestehenden Ausschuss anzugliedern.
Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff drängte am Montag auf die Einrichtung einer Untersuchungskommission: "Wir brauchen im EU-Parlament einen Prism-Sonderausschuss, der auch Tempora, also die britischen Aktivitäten abdecken muss. Dieser sollte seine Arbeit dann so schnell wie möglich aufnehmen, damit man noch vor der Europawahl im Mai 2014 einen Zwischenbericht vorlegen kann."
Lambsdorff zeigt sich angesichts der jüngsten Vorwürfe getroffen. "Ich habe lange in den USA gelebt und von daher auch jedes Verständnis für die Bedürfnisse der Terrorismusbekämpfung. Doch eine unkontrollierte Überwachung ohne Grenze und ohne Maß geht zu weit" sagte er weiter. "Die Spähprogramme aus den USA offenbaren eine absurde Datensammelwut und richten sich auch gegen europäische Institutionen. Selbst tiefen Amerika-Freunden wie mir fehlt angesichts dieser Vorwürfe das Verständnis."
Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sprach sich am Montag dafür aus, wegen der Abhöraktion des britischen und des US-Geheimdienstes das Europäische Parlament einzuschalten. "Wir schlagen vor, von der Möglichkeit eines Untersuchungsausschusses im Europäischen Parlament Gebrauch zu machen", sagte der FDP-Chef in Frankfurt.
Die konservative EVP-Fraktion zeigte sich ebenfalls alarmiert, warnte aber vor überstürzten Entscheidungen. Manfred Weber(CSU), Vizechef der EVP-Fraktion, drängte auf klare Antworten der US-Regierung. "Die US-Regierung muss Klarheit schaffen. Wenn diese Klarheit nicht hergestellt wird, brauchen wir einen Sonderausschuss", sagte Weber SPIEGEL ONLINE. "Das Vertrauen ist angekratzt. Trotzdem muss man unseren amerikanischen Partnern die Gelegenheit geben, sich zu erklären", so Weber.
2001 gab es schon einmal einen Sonderausschuss des Europäischen Parlaments zu ähnlichen, aber weit weniger umfassenden Vorwürfen. Der "Echolon"-Ausschuss ging Hinweisen nach einem weltumspannenden Abhörnetz nach.
SPIEGEL-Informationen zufolge haben die USA Einrichtungen der EU in Brüssel, Washington und New York gezielt ausgespäht. Der Geheimdienst NSA verwanzte demnach im großen Stil Gebäude und drang in Computernetzwerke ein. Dadurch habe er Besprechungen belauschen und E-Mails sowie vertrauliche Dokumente lesen können. Die Berichte beruhen auf Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden.