US-Truppenabzug aus Deutschland Trumps Rache an Merkel

Donald Trump, Angela Merkel (beim Nato-Gipfel Anfang Dezember 2019): Die Deutschen zahlen jetzt den Preis dafür, dass sie ihre Bündnisverpflichtungen nicht erfüllen
Foto: PETER NICHOLLS/ AFPWer am Hofe Donald Trumps überleben will, muss die Kunst beherrschen, auch die absurdeste Entscheidung des Präsidenten als einen Akt strategischer Weitsicht zu verkaufen. Wenige Höflinge können das so perfekt wie Verteidigungsminister Mark Esper. Er hat es in den zwölf Monaten seiner Amtszeit in dieser Disziplin zu großer Meisterschaft gebracht. Doch selten war er so gut wie an diesem Mittwochnachmittag.
Selbst Ben Hodges zeigte sich danach beeindruckt. Der langjährige Kommandeur der U.S. Army in Europa gehört zu Trumps schärfsten Kritikern. Den geplanten Truppenabzug aus Deutschland hält er für einen schweren Fehler, doch nach dem Esper-Auftritt vor der Presse im Pentagon musste der pensionierte General zugeben, dass der Minister "sein Bestes gegeben habe, den Schaden einer schlechten und falschen Entscheidung so gering wie möglich zu halten".
Trump hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er die Deutschen abstrafen will. Sie hätten sich "schuldig" gemacht, weil sie seit Jahren ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Nato nicht einhielten. In der Nacht zu Donnerstag wiederholte er diesen Vorwurf bei Twitter.
Germany pays Russia billions of dollars a year for Energy, and we are supposed to protect Germany from Russia. What’s that all about? Also, Germany is very delinquent in their 2% fee to NATO. We are therefore moving some troops out of Germany!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) July 29, 2020
Die Ankündigung, die Zahl der amerikanischen Truppen in Deutschland massiv zu reduzieren, ist Trumps Rache an Angela Merkel. Es gibt wenige Regierungschefs, die ihm so zuwider sind wie die Kanzlerin. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit.
12.000 Soldaten sollen Deutschland verlassen
Die Abzugspläne, die Esper nun vorgestellt hat, sind der Versuch, die Folgen von Trumps Rachefeldzug zumindest abzumildern. Peinlichst vermied es der Pentagonchef am Mittwochnachmittag, das S-Wort in den Mund zu nehmen. Kein Wort von Strafe, stattdessen viel von Strategie.
Knapp 12.000 US-Soldaten sollen nun aus Deutschland abgezogen werden. Das ist bitter für die betroffenen Standorte, die meist in Regionen liegen, denen es ohnehin nicht so gut geht.
Die Deutschen zahlen jetzt den Preis dafür, dass sie ihre Bündnisverpflichtungen nicht erfüllen. Zu den Absurditäten von Trumps "Strategie" gehört aber auch, dass ein Teil der Truppen nun ausgerechnet nach Belgien und Italien verlegt wird und damit in zwei Länder, die ihre Nato-Zusagen noch weniger einhalten als Berlin.
Doch es hätte schlimmer kommen können. Deutschland ist zwar der eindeutige Verlierer des Truppenabzugs, aber die Nato scheint noch einmal davongekommen zu sein. Und davon profitieren am Ende auch die Deutschen. Fast die Hälfte der abgezogenen Soldaten bleibt auf dem Kontinent, während die andere Hälfte regelmäßig aus den USA nach Europa rotieren soll. Das macht sie anfälliger für Haushaltskürzungen, die durch die schwere Corona-Wirtschaftskrise auch in Washington wahrscheinlicher werden, aber es ist immer noch besser als ein Totalabzug.
Mit seinem Plan hat es Esper auch vermieden, die Nato-Russland-Grundakte zu verletzen, die eine dauerhafte Stationierung großer Truppenteile des Bündnisses in den östlichen Mitgliedstaaten untersagt. Washington will zwar Einheiten in Polen stationieren, aber nicht so viele, dass es das Verhältnis zu Moskau endgültig ruinieren würde.
Dass die beiden US-Hauptquartiere für Europa und Afrika aus Stuttgart abgezogen und nach Belgien verlegt werden sollen, ist keine gute Nachricht für die Deutschen. Die Effizienz der US-Streitkräfte in Europa wird es aber eher stärken, weil die Kommandostrukturen nun an einem Ort konzentriert werden.
In der Bundesregierung hofft man, dass es am Ende doch noch alles anders kommen könnte. Im US-Kongress wächst der Widerstand gegen Trumps Abzugspläne, die Logistik der Truppenverlegungen ist ein Albtraum, und in Belgien haben die Bauarbeiten für die neuen Hauptquartiere noch nicht einmal begonnen.
Gut möglich also, dass es am Ende nicht ganz so schlimm wird. Es ist eine trügerische Hoffnung. Denn eines steht jetzt schon fest: Kein US-Präsident, selbst wenn er Joe Biden heißen mag, wird es den Deutschen durchgehen lassen, wenn sie ihre Bündnisverpflichtungen auf Dauer vernachlässigen.