Wahlsieg von Donald Trump Drei Lehren für Deutschland

Der Trump-Schock sitzt auch hierzulande tief. Wie konnte es dazu kommen? Deutschland kann aus der US-Wahl für den Umgang mit Populisten lernen.
Selfie mit Trump-Pappfigur (auf einer Wahlparty in Berlin)

Selfie mit Trump-Pappfigur (auf einer Wahlparty in Berlin)

Foto: AXEL SCHMIDT/ REUTERS

Donald Trump als Nachfolger von Barack Obama - das fühlt sich für viele an, als sei das Rad der Geschichte zurückgedreht worden: Ein weißer, sexistischer Rassist folgt auf den wohl progressivsten Präsidenten der US-Geschichte, den ersten Afroamerikaner im Weißen Haus.

Auch in Deutschland ist das Erstaunen groß: Wie konnte Trump die Wahl gewinnen? Lag es an der selbst für US-Verhältnisse niedrigen Wahlbeteiligung? Welche Rolle spielten die Schwächen seiner Gegenkandidatin Hillary Clinton?

Klar ist: Trumps Populismus war erfolgreich. Er hat erzählt, was viele hören wollten ("Make America great again") - ohne schlüssig zu sagen, wie das gehen soll. Er hat hemmungslos Ressentiments bedient. Trump hat sich von den sogenannten Eliten abgesetzt, obwohl er selbst dazu gehört. (Eine Analyse zu den Gründen für Trumps Wahlsieg lesen Sie hier.)

Kann Deutschland aus Trumps Triumph etwas lernen? Auch hierzulande sind die Populisten der AfD auf dem Vormarsch - und im nächsten Jahr wird ein neuer Bundestag gewählt.

Drei Thesen zum Umgang mit dem Populismus in Deutschland:

1. Gute Bildung ist ein Muss.

In einer demografischen Gruppe war Trump laut Analysen besonders erfolgreich: bei Wählern ohne Collegeabschluss . Sie haben also höchstens die Highschool absolviert - und liegen damit vom Bildungsgrad her noch unter deutschen Abiturienten.

Angesichts dieser Wählerbasis an weniger gut gebildeten Amerikanern scheint es logisch, dass Trump mit einer Kampagne in der Tradition der amerikanischen Know-nothing-Bewegung des 19. Jahrhunderts erfolgreich war. Zudem dürfte der künftige Präsident davon profitiert haben, dass zur fehlenden Bildung in den USA oft noch eine weit verbreitete Ignoranz hinzukommt gegenüber allem, was außerhalb der Landesgrenzen geschieht.

Die Gleichung "Bildung schützt vor Populismus" geht sicher nicht so einfach auf. Auch gebildete Wähler folgen mitunter billigen Parolen - zumal, wenn sie emotional so geschickt verpackt werden. Aber Bildung und Wissen versetzen Menschen zumindest in die Lage, Widersprüche und Lügen besser zu durchschauen.

Deshalb ist es so wichtig, die Qualität des Bildungssystems in Deutschland aufrechtzuerhalten - auch wenn es hohe Kosten verursacht. Zuletzt zeigten Analysen bei den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, dass die AfD besonders viele Stimmen von weniger gut gebildeten Wählern bekam.

Umso erstrebenswerter ist es, dass möglichst alle Zugang zu guter Bildung haben. Gruppen etwa, die sich sozial abgehängt fühlen. Aber auch bestimmte Einwanderermilieus. In den USA wählten immerhin 28 Prozent der Latino-Amerikaner Trump: Jenen Mann, der wohl wie kein republikanischer Präsidentschaftskandidat zuvor rassistisch und vor allem Latino-feindlich aufgetreten ist.

2. Politik und Medien müssen besser zuhören.

Trump ist ein Immobilienmogul mit besten Beziehungen in die höchsten Kreise - inklusive des Ehepaars Hillary und Bill Clinton. Trump ist absolutes Establishment. Aber er hat es geschafft, sich im Wahlkampf als Outsider zu präsentieren und sich den weit verbreiteten Hass auf "die da oben" zunutze zu machen.

Die Wucht dieser Anti-Eliten-Stimmung hat die Kandidatin Clinton ignoriert. Aber auch ein Großteil der Medien hat sie nicht ernst genug genommen.

Natürlich haben die Demoskopen ebenfalls versagt. Aber, wie die "New York Times" selbstkritisch über den Journalismus im Land schreibt : "Es war auch das Versagen, die kochende Wut eines großen Teils der amerikanischen Wählerschaft zu erfassen, der sich zurückgelassen fühlt vom teilweisen Aufschwung, betrogen von Handelsverträgen, die man als Bedrohung für seine Jobs sieht und missachtet vom Washingtoner Establishment, Wall Street und den Mainstreammedien."

Videokommentar: "Wir sind endgültig im Zeitalter des Populismus angekommen"

SPIEGEL ONLINE

Auch wenn in Deutschland kein Trump in Sicht ist: Der Blick auf die Realität eines Teils der Bürger, die sich ausgeschlossen und abgekoppelt von der politischen Willensbildung fühlen, muss schärfer werden. Das gilt für die Parteien wie die Medien.

Wie das geht? Jedenfalls nicht, indem man die Menschen von vornherein stigmatisiert, ihnen mit Arroganz, Oberlehrer-Attitüde oder bestenfalls Ignoranz begegnet. Nicht jeder, der Ängste wegen Zuwanderung äußert, ist ein Nazi. Nicht jeder, der TTIP ablehnt, ist ein Verschwörungstheoretiker. Und nicht jeder, der mit veganem Kantinenessen nichts anfangen kann, ist deshalb gleich rückwärtsgewandt.

Aber wenn die Parteien von der Union bis zur Linken diese Menschen der AfD und anderen populistischen Kräften überlassen, verliert man sie endgültig. Ja, das wird ein schwieriger Diskurs. Aber er muss geführt werden. Offen und ehrlich.

Für die Medien gilt: Wir sollten mehr dorthin gehen, wo es "stinkt und brodelt", wie es SPD-Chef Sigmar Gabriel einst formulierte. Mehr zuhören. Mehr berichten, weniger werten. Und zwar nicht erst, wenn die Menschen zu Zehntausenden durch Dresden marschieren.

3. Wir müssen unsere Werte verteidigen.

In ihrer Gratulationsbotschaft an den künftigen US-Präsidenten sagte Kanzlerin Angela Merkel: "Deutschland und Amerika sind durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung." Ob Trump seine Politik entsprechend ausrichten wird, daran scheint Merkel Zweifel zu haben - anders ist ihre ausdrückliche Betonung dieses Wertekanons nicht zu verstehen.

Die Frage ist aber auch: Werden diese Werte in Deutschland Bestand haben? Nicht, wenn es nach AfD und Co. geht. Und deshalb ist es so wichtig, sich mit den Ansichten der Populisten auseinanderzusetzen - in der Sache.

Das geht natürlich nur, wenn der Kompass der Parteien und der Medien klar ist. Merkels Satz darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Bedenken ernst zu nehmen und über sie zu berichten, heißt nicht, sich anzubiedern. In manchen Parteien gibt es dafür leider besonders ausgeprägte Neigungen.

Unsere Werte sind nicht verhandelbar. Wer sie ablehnt, stellt sich außerhalb der Gesellschaft. Rassismus und Extremismus müssen weiterhin klar benannt werden. Und wer Rassisten wählt, auch das muss klar benannt werden, der macht sich mit ihnen gemein.

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