US-Wahlparty Exil-Amerikaner in Berlin wählen Obama und McCain

US-Flaggen, dazu Elsässer Flammkuchen, Weizenbier - die Anhänger der Demokraten in Berlin feiern bei deftiger Kost einen Erdrutschsieg. 80 Prozent für Obama! Und die Exil-Republikaner? Gehen vor der Auszählung erst einmal schlafen.

Berlin - Das Wahllokal der Demokraten ist das Wirtshaus "Max und Moritz" in Berlin-Kreuzberg, im ersten Stock werden die Stimmzettel ausgefüllt, im Erdgeschoss wird gefeiert. Dicht an dicht drängen sich Wähler der Demokratischen Partei, man schlägt sich auf die Schultern, lacht, schiebt - Partystimmung.

Donald Black, rosa Hemd, staatstragend auf dem unteren Treppenabsatz, fragt jeden Wähler, der aus dem Wahllokal herunterkommt: "Did you vote?" Auf einem weißen Zettel macht er Häkchen, links für Hillary Clinton, rechts für Barack Obama. Er steht im Blitzlichtgewitter. Er schwärmt für Obama, die Häkchen auf seiner inoffiziellen Liste geben ihm Recht, denn unter Berlins "democrats abroad" erhält Obama 80 Prozent, aber Clinton nur 20 Prozent.

Oben zwängt sich gerade Cassie Thibodeau ins Wahllokal. Auf Bistrotischen liegen Stimmzettel, von der Decke hängen rote Luftballons, zwischen Gläsern und Elsässer Flammkuchen stehen kleine US-Flaggen. Station 1 der Wahlgänger: "Pick up registration". Wer noch kein Mitglied der Demokraten ist, kann es am Super Tuesday werden. Station 2: "Fill out registration", ein Tisch mit weißer Papierdecke. An Station 3 steht die Box für die Mitgliedsanträge. Wahlhelfer Alan Benson verteilt Stimmzettel, Blau für alte, Weiß für neue Mitglieder. Station 4: die Wahlkabine, Tisch und Stuhl hinter nicht ganz blickdichter Stellwand. Fünfte und letzte Station: die Wahlurne. Sie zeigt das Maskottchen der Demokraten, den blauen Esel, auf dem Brandenburger Tor. Thibodeau stimmt für Obama, der sei neu, frisch und vor allem: "kein typischer Politiker".

Republikaner fahren die Junge Union auf

Ein paar Kilometer nordwestlich, in der Politkneipe "Wahlkreis" in Berlin-Mitte, haben sich die Anhänger der Republikaner versammelt, dazu eine Menge konservativer Nachwuchs aus der Jungen Union. "Wir haben ein paar Leute mehr eingeladen, um den Laden voll zu bekommen", erklärt Veranstalter Jan Burdinski. Echte Amerikaner muss man tatsächlich suchen.

Dabei haben sich die Veranstalter alle Mühe gegeben mit dem Ambiente: In der Kneipe flattern Sternenbanner knapp über den Köpfen der Bedienung, eine weitere im Großformat schmückt die Wand. Bier wird über den Tresen gereicht. Auf den Großbildschirmen läuft CNN. "Wahnsinn, wie viele Leute sich für eine parteiinterne Entscheidung in den USA interessieren", staunt der Betreiber des "Wahlkreises", Jan Strecker.

Michael Steltzer, Vorsitzender der Berliner "democrats abroad", freut sich unterdessen über die Wahlbeteiligung insgesamt. Rund 20.000 US-Amerikaner leben in Berlin, darunter etwa tausend registrierte Mitglieder der Demokraten. Im "Max und Moritz" rücken rund 250 Wähler an, allein 200 unter ihnen lassen sich als Neumitglieder verzeichnen, um ihr Kreuz machen zu dürfen.

"Exil-Demokraten sind homöopathische Tropfen"

Insgesamt 22 Delegierte stellen die Demokraten außerhalb der USA, eine verschwindend kleine Zahl, jeder mit einer halben Stimme. Michael Steltzer diktiert in die Blöcke, die Exil-Demokraten seien der "homöopathische Tropfen" im Kandidaten-Cocktail.

Bei den Republikanern sagt Veranstalter Burdinski, der seine transatlantische Neigung durch eine Stars-and-Stripes-Kravatte unterstreicht: "Wir sind amerikafreundlich, und zwar nicht nur latent", und präsentiert sogleich seinen Favoriten: "John McCain wird das Rennen machen."

Ähnlich sieht es Eric Staal, Vorsitzender der Republikaner in Deutschland. "John McCain wird der Kandidat sein", prophezeit der Amerikaner und wünscht sich mehr Führungsqualität im Weißen Haus. "McCain ist ein starker Leader." Die anderen Kandidaten findet der Unternehmensberater aber auch nicht schlecht. "Alle Republikaner sind angenehme, überparteilich wählbare Kandidaten."

Hillary-Fans outen sich nicht

Gegen 23 Uhr verzieht sich die Wahlleiterin der Demokraten, Nancy Green, mit Helfern in ein Hinterzimmer. Sie zählen die Stimmen aus, geben das Ergebnis telefonisch in die Schweiz durch, zur internationalen Vorsitzenden der "democrats abroad". Erst am 21. Februar wird dort das Ergebnis offiziell gemacht. Solange hilft nur die Strichliste, die inzwischen im Jackett des Chefs der Berliner Exil-Demokraten, Michael Steltzer, steckt.

Unter den Demokraten im "Max und Moritz" hat Minderheiten-Hillary keine bekennenden Fans. Mutiger ist da Lukas Rohleder, Gast bei der Republikaner-Party. Auf seinem T-Shirt steht "Mitt Romney - echte Stärke für Amerikas Zukunft". Für den 26-jährigen Deutschen kann es nur einen Gewinner der Vorwahlen geben. "Romney ist der beste", sagt er und findet schnell Gründe für die Sympathie: "Er steht für eine starke Sicherheitspolitik, ein privatisiertes Gesundheitssystem", sagt der schlaksige junge Mann. "Mit ihm habe ich einfach die größte Schnittmenge."

Dass Romney am Ende ein desaströses Ergebnis einfährt, bekommt Student Rohleder gar nicht mehr mit. Wie viele andere ist er vor der Bekanntgabe der meisten Wahlergebnisse gegangen. Nur die Junge Union hält durch - da ist die Vorwahl selbst auch gar nicht mehr so wichtig.

Tapfer verharren rund 30 Demokraten bis weit nach 3 Uhr im "Max und Moritz". Als CNN den Sieg Obamas im indonesischen Jakarta verkündet, dem ersten Wahllokal im Exil, dessen Ergebnis feststeht, jubeln sie - jedoch weniger wegen Obama, als wegen des Logos der "democrats abroad" auf dem Bildschirm.

"Clinton, Clinton!"-Rufe bei den Republikanern

Bei der Party der Republikaner werden die Siege John McCains in den meisten Staaten dagegen mit wenig Emotionen quittiert. Einer ballt die Faust, als McCain New York gewinnt. Ansonsten wird weiter am Bier genippt. War was? Irgendwie hatte man ja damit gerechnet.

Ihre Blicke gehen immer wieder auf die Ergebnisse der Demokraten. "Clinton, Clinton!", ruft einer an der Bar, als Hillarys Führung in Massachussetts verkündet wird. Doch auch dies ohne große Emotionen. Der lange Abend hat Kraft gekostet. In Deutschland ist eben doch nur ein ganz normaler Dienstag.

Als um zwei Uhr MEZ die Hochrechnung für Massachusetts Mitt Romney als Gewinner der Republikaner ausmacht, applaudiert ausgerechnet die Demokratin Dahlia Nethersole, schwärmerische Obama-Anhängerin: "Massachusetts!" Ein Anfall von Lokalpatriotismus. Um halb vier outet sich dann Wahlleiterin Nancy Green. Sie hatte einen Favoriten, so geheim, dass er es nicht einmal auf die Strichliste schaffte: Al Gore.

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