Jakob Augstein

S.P.O.N. - Im Zweifel links Der deutsche Dackel

Die USA demütigen Deutschland. Aber wir lieben die Unterwerfung. Jetzt wird sich zeigen, ob wir mehr vom Leben wollen.

Oops!
...I did it again.
I played with your heart.
Got lost in the game.
Oh, baby, baby.
Oops!
...You think I'm in love.
That I'm sent from above...
I'm not that innocent

Britney Spears hat das früher gesungen. Obama könnte den Song jetzt in einem aufmunternden Care-Paket nach Berlin schicken, ins Kanzleramt, in den Bundestag, in die außenpolitischen Redaktionen der großen Zeitungen. Denn die Amerikaner haben uns schon wieder ausspioniert. Oops! Und sie haben uns schon wieder gedemütigt. Oh, baby, baby! Sie haben mit unserem Herzen gespielt. Wir hielten es für Liebe. Aber das war ein Fehler. Die bittere Wahrheit ist: Zwischen den Amerikanern und uns besteht ein Herr-Hund-Verhältnis. Und leider liebt Herrchen aus Amerika den deutschen Dackel nicht. Herrchen braucht ihn nur hin und wieder zum Apportieren.

Der Dackel hat jetzt zwei Möglichkeiten: er akzeptiert seine Existenz als Hund. Immerhin ist da - nachrichtendienstlich gesehen - immer der Napf voll. Oder wir nehmen unser Glück - und unsere Sicherheit - selbst in die Hand. Frei nach den Gebrüdern Grimm: Etwas Besseres als die CIA finden wir überall. Harte Entscheidungen stehen an. Aber wir müssen befürchten, dass unsere Kanzlerin ihnen ausweichen wird.

Denn Stolz und Ehre sind in der deutschen Politik keine Kategorien mehr. Einerseits ist das gut so. Die "Thymotisierung", von der Peter Sloterdijk träumt, die große Aufwallung, die den "Regungsherd des stolzen Selbst" befeuern soll, würde zwar dem Neo-Nietzscheaner aus Karlsruhe Spaß machen - sie wäre aber ein Rückschritt in der Zivilisation. Gesellschaften, die dem Prinzip der Vergeltung folgen statt dem der Versöhnung, sind keine sehr friedlichen Gesellschaften - siehe USA oder Israel. Die Rachekultur setzt auf Abgrenzung, Wettbewerb und Gegenschlag statt auf Vertrauen, Kooperation und Versöhnung. Solche Gesellschaften folgen einer Ideologie, nicht der Vernunft. Denn seit George W. Bush den Irak überfallen hat - ohne Grund, nur aus der Ambition der Vergeltung heraus - ist die Welt ja kein sicherer Ort geworden.

"Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet", hat der weitsichtige Carl Schmitt geschrieben. Die Drohnen-Morde, die CIA-Foltergefängnisse, das Lager in Guantanamo, die Bespitzelung von Parlamenten, Politikern und Bürgern belegen seit Langem, dass die USA den weltweiten, andauernden Ausnahmezustand ausgerufen haben. Und wir haben uns dem gebeugt.

Amerikas Sicherheitslogik ist weder logisch noch bringt sie Sicherheit

Dabei ist Amerikas Sicherheitslogik weder logisch noch bringt sie Sicherheit. Der Anchorman und Komiker John Oliver hat im amerikanischen Fernsehen gesagt: "Ein gescheiterter Anschlag mit einer Schuh-Bombe - und wir ziehen alle am Flughafen unsere Schuhe aus. 31 Amokläufe an Schulen seit dem Massaker von Columbine - und es gibt keine Regulierung des Waffenrechts." Wer um alles auf der Welt ist auf die Idee gekommen, wir könnten von den Amerikanern in Sachen Sicherheit etwas lernen?

S.P.O.N.-Kolumnist Jan Fleischhauer hat geschrieben: "Wer bezweifelt, dass es zur Terrorabwehr überhaupt der elektronischen Überwachung bedarf, macht eine gefährliche Wette auf. Beim nächsten Anschlag wissen wir, ob sie aufgegangen ist. Wenn die Bombe in Berlin oder Hamburg explodiert, lagen wir falsch." Ach, lieber Kollege, ist es also so, dass wir umso sicherer sind, je besser wir überwacht werden? Je kürzer unsere Leine, desto besser für uns? Auch das ist ein Stück Ideologie. Die USA waren trotz ihrer flächendeckenden Überwachung nicht in der Lage, die Bombe von Boston zu verhindern - und die kam nicht mal aus dem Ausland.

Unsere Politiker reden wieder allenthalben von der Verantwortung, die Deutschland übernehmen muss. Vor allem Joachim Gauck wird bei dem Thema nicht müde. Deutschland müsse sich "als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller" einbringen, hat der Präsident gesagt. Er, Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen denken dabei vor allem an weit entfernte Weltgegenden. Aber bevor man andere beglücken will, sollte man erst einmal Verantwortung für sich selber übernehmen. Wie sollen die Russen und die Chinesen uns ernst nehmen, wenn wir es selbst nicht tun? Ganz ohne Selbstachtung geht es in der Politik eben doch nicht. Und es wäre ein Irrtum zu glauben, dass man sich für Ehre gar nichts kaufen kann.

Da haben die deutschen politischen Eliten noch einen weiten Weg vor sich: So viele Cocktails auf den Empfängen des American Council on Germany oder der Atlantik-Brücke - und doch haben sie sich in den USA getäuscht.

Auch ein Dackel entdeckt irgendwann seinen Stolz.

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Foto: SPIEGEL ONLINE
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