Verfassungschutz-Kommission Verbrechen von V-Leuten sollen straffrei bleiben können

Nazi-Demonstration in Berlin: "V-Leute sind weiterhin unverzichtbar"
Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERSHannover - Um Extremismus besser bekämpfen zu können, soll die Justiz die Möglichkeit erhalten, auch schwerere Straftaten von V-Leuten nicht zu verfolgen. Die Bund-Länder-Kommission zu den NSU-Morden sprach sich in ihrem am Donnerstag in Hannover vorgestellten Bericht außerdem dafür aus, die Kommunikation zwischen Polizei und Verfassungsschutz neu zu organisieren.
Das Gremium war im Februar 2012 eingesetzt worden, um das Versagen der Sicherheitsbehörden bei der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) zu untersuchen und Empfehlungen für politische Schlussfolgerungen vorzulegen. Das NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe war jahrelang unentdeckt geblieben. Die Zelle soll zwischen 2000 und 2007 acht Migranten und eine Polizistin ermordet haben.
Bei der Aufarbeitung der Ereignisse seien mehr als 60 Schnittstellen identifiziert worden, "an denen es ganz konkret Versäumnisse gegeben hat", sagte der Kommissionsvorsitzende Eckhart Müller bei der Vorstellung des Berichts am Rande der Innenministerkonferenz.
"Begehung von Straftaten ist kaum zu vermeiden"
Laut Kommission geht es beim Umgang mit V-Leuten darum, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, damit Staatsanwaltschaften auch die Möglichkeiten haben, Verfahren wegen schwerer Straftaten wie Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung einzustellen.
Müller sagte, der Einsatz von V-Leuten sei auch weiterhin unverzichtbar: "Beim Einsatz von V-Leuten vor allem in terroristischen Vereinigungen ist die Begehung von Straftaten kaum zu vermeiden." Zudem müssten die Beamten des Verfassungsschutzes gegenwärtig immer mit einem Strafverfahren wegen Anstiftung rechnen, wenn V-Leute Straftaten begingen.
Einen Freibrief stellt die Kommission dem Verfassungsschutz und seinen Informanten aber nicht aus: Unter anderem empfiehlt die Kommission in dem 365-seitigen Bericht, den Schutz von Informanten des Verfassungsschutzes zu überarbeiten. "Der Quellenschutz ist nicht absolut", heißt es in dem Kommissionsbericht. Der Schutz von Leib und Leben der Quelle, die Arbeitsfähigkeit der Behörden und die berechtigten Belange von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr seien in ein angemessenes Verhältnis zu bringen.
Darüber hinaus müsse es auf Bund- und Länderebene eine starke Aufsicht für Polizei und Verfassungsschutz geben. Die Experten schlagen hierzu die Einrichtung eines Regierungsbeauftragten für die Kontrolle vor. "Wir brauchen Mechanismen, die greifen, wenn etwas bei den Sicherheitsbehörden nicht richtig läuft", betonte Müller.
Wie bereits am Wochenende vom SPIEGEL berichtet, soll der Generalbundesanwalt nach dem Willen der Experten mehr Befugnisse bekommen. Bislang sind den Kompetenzen der Bundesanwaltschaft enge Grenzen gesetzt: Die Karlsruher Behörde darf derzeit nur dann die Ermittlungen übernehmen, wenn dies in den komplizierten Zuständigkeitsvorschriften vorgesehen ist.