Verfassungsrede Köhler fordert mehr Rechte für Wähler

Horst Köhler will den Wählern bei der Auswahl der Kandidaten zu mehr Einfluss verhelfen. Deshalb sollte das Wahlrecht geändert werden, forderte der Bundespräsident bei einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche: "Es müssen ja nicht immer nur die sein, die oben stehen."

Frankfurt am Main - Horst Köhler hat zusätzliche Rechte für die Wähler in der deutschen Demokratie vorgeschlagen. Zum 160. Jahrestag der ersten demokratischen Verfassung für Deutschland schlug der Bundespräsident am Freitag in der Frankfurter Paulskirche Änderungen des Wahlrechts an. Wähler sollten mehr Einfluss darauf erhalten, welche Kandidaten von den Wahllisten der Parteien ein Mandat bekämen: "Es müssen ja nicht immer nur die sein, die oben stehen."

Köhler sprach sich auch für die Neuordnung der Beziehungen zwischen Bund und Ländern sowie eine Stärkung des Europäischen Parlaments aus. Er rief die Politik zu mehr demokratischer Transparenz und Verantwortlichkeit auf.

Die Parlamentarier der Nationalversammlung hatten vor genau 160 Jahren am 27. März 1849 in der Paulskirche die erste demokratische Verfassung für Deutschland beschlossen. Darin waren erstmals in der deutschen Geschichte die bürgerlichen und individuellen Freiheitsrechte garantiert. Dieser Grundrechtskatalog wurde zum Wegweiser für die Weimarer Verfassung von 1919 und das Grundgesetz von 1949.

Der Bundespräsident verwies darauf, dass die Grundrechte der Paulskirchenverfassung als wichtigster Beitrag zur deutschen Verfassungsentwicklung gelten. So könne man die Grundrechtsklage zum Reichsgericht "als eine Art Vorläufer der heutigen Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht deuten". Die Nationalversammlung habe soziale Gerechtigkeit nicht nur durch Einführung der Schulfreiheit gefördert: "Am meisten tat dafür die Abschaffung der drückenden Adelsvorrechte."

Die Verfassung von 1849 sah eine Reichsregierung vor, die dem Parlament verantwortlich sein sollte. Als Staatsoberhaupt der konstitutionellen Monarchie war ein "Kaiser der Deutschen" vorgesehen. Die Kaiserkrone boten die Abgeordneten dem preußischen König Wilhelm IV. an, der jedoch ablehnte. Damit war das Parlament gescheitert.

Die Paulskirchenverfassung habe zwar "ein für damalige Verhältnisse bahnbrechend demokratisches Wahlgesetz" geschaffen, sagte Köhler. Er wies aber darauf hin, dass von politischer Gleichberechtigung der Frauen keine Rede gewesen sei. Erst 1949 seien in der freiheitlichen Demokratie mit ihren Grundrechten die zentralen Bestrebungen von 1848 verwirklicht worden.

"Die Beschäftigung mit der Revolution vor 160 Jahren schärft auch den Blick für die Herausforderungen, vor denen unsere Demokratie heute steht", sagte Köhler. Heute gehe es darum, die europäische Einigung zu vollenden, eine ökologische industrielle Revolution auszulösen und weltweit für Menschenwürde und gegen Massenarmut einzutreten. "Das wird uns nur gelingen, wenn wir auf allen Ebenen das Demokratieprinzip stärken und beleben."

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) rief in der Paulskirche unterdessen zu Dankbarkeit und Stolz auf. "Wir leben in Einheit und Freiheit" und könnten "dankbar und mit Stolz auf das Erreichte blicken". Er warnte mit Blick auf die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise davor, aus den "Exzessen der Finanzmärkte" und der "blinden Profitgier" mancher Manager den Schluss zu ziehen, man brauche keine freien Märkte. "Etwas besseres als Freiheit gibt es nicht", betonte er.

als/ddp/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren