Verluste bei Landtagswahl Große Koalition zeigt sich unbeeindruckt
Berlin - Nach den ersten stabilen Hochrechnungen aus Bremen hat die Schlacht um die Interpretation der Folgen für die Bundespolitik begonnen. Während die Großkoalitionäre in Berlin keine destabilisierende Wirkung für ihr Bündnis erkennen wollen, glaubt die Linkspartei nach ihrem triumphalen Einzug ins Bremer Parlament einen Bundestrend ausgemacht zu haben. Die überraschend starken Grünen hoffen auf Rot-Grün in Bremen - und natürlich auch auf einen davon ausgehenden Effekt für ein ebensolches Bündnis in Berlin.
"Ich denke, ein bundespolitisches Signal ist das nicht", kommentierte das SPD-Präsidiumsmitglied Ludwig Stiegler am Abend die Hochrechnungen im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Dass die Große Koalition in Bremen zusammen wahrscheinlich rund neun Prozent verloren hat, könne aber durchaus in Zusammenhang mit der Großen Koalition im Bund stehen, gab er zu: "Es ist sicher die allgemeine Stimmung, die sich ausgewirkt hat, aber auch die Stimmung in Bremen."
Eine Koalitionsempfehlung wollte Stiegler dagegen ausdrücklich nicht abgeben: "Das ist allein eine Bremer Entscheidung". In Bremen wird die SPD die Wahl haben: Sie kann sich zwischen einer Fortsetzung der Großen Koalition mit der CDU und einem rot-grünen Bündnis entscheiden und verzichtete heute auf eine eindeutige Aussage.
Er könne sich allerdings vorstellen, ergänzte Stiegler, dass die Frage der Zwei-Drittel-Mehrheit der Großen Koalition im Bundesrat die Bremer Sozialdemokraten beeinflussen könnte. Die Arithmetik sieht so aus: Entscheidet sich die SPD für eine Koalition mit den Grünen, wäre die verfassungsändernde Zwei-Drittel-Mehrheit von Union und SPD in der Länderkammer verloren. Zugleich sagte Stiegler mit Blick auf ein mögliches rot-grünes Bündnis allerdings: "Ich denke, dass müsste die Große Koalition im Bund aushalten."
Friedbert Pflüger, Mitglied des CDU-Präsidiums, wollte der Bremer Wahl ebenfalls keine allzu große Signalwirkung beimessen: "Die Auswirkungen auf die Bundespolitik sind eher gering", sagte er SPIEGEL ONLINE. Allerdings brach er indirekt eine Lanze für die Große Koalition in dem Stadtstaat. "Wenn die SPD bei minus 4 Prozent von sich behauptet, sie sei der Wahlsieger, dann kann das die Große Koalition insgesamt auch behaupten. Und dann gibt es keinen Grund zum Wechsel", sagte der Berliner Unionspolitiker.
Die Linkspartei sieht sich nach Bremen-Wahl hingegen als bundesdeutsche Kraft und wertet den Urnengang als Durchbruch hin zu einer in ganz Deutschland etablierten Partei. "Es hat sich etwas vollzogen seit 2005 durch das Zusammengehen mit der WASG. Durch das Hinzukommen von Oskar Lafontaine sind wir jetzt eine bundesdeutsche Kraft", sagte der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, in einer ersten Reaktion auf die Wahl in der Hansestadt. Jetzt werde seine Partei in allen westdeutschen Bundesländern kämpfen, "um immer mehr eine bundesdeutsche Kraft zu werden".
Nach ersten Hochrechnungen hat die Linkspartei über acht Prozent der Stimmen in Bremen erhalten. Bislang gilt die Nachfolge-Partei der PDS als nur in Ostdeutschland verwurzelt, wo sie bei Landtagswahlen mehrfach zweistellige Ergebnisse erzielt hat. Mehrere SPD-Politiker - unter anderem der ehemalige SPD-Chef Lafontaine - sind aus Protest gegen die Reformpolitik des früheren Kanzlers und SPD-Chefs Gerhard Schröder zur Linkspartei gewechselt.
Dass die SPD in Bremen Bündnisgespräche mit seiner Partei ablehne, wundere ihn nicht, sagte Gysi. "Die SPD ist doch jetzt geschockt." Das werde sich aber geben. "Die Linken in der SPD werden erkennen, je stärker wir sind, desto günstiger ist auch ihre Position."
Die Grünen haben bei der Bremer Wahl den Hochrechnungen zufolge am deutlichsten zugelegt - sie könnten bis zu 16,5 Prozent der Stimmen errungen haben und damit ihr bestes Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt. Parteichefin Claudia Roth sagte am Abend in Berlin, ihre Parteifreunde hätten in der Hansestadt "engagiert, leidenschaftlich, möglichst nahe dran an den Menschen Wahlkampf geführt" und deshalb deutlich zugelegt. Roth forderte die Bremer SPD auf, eine Koalition mit ihrer Partei zu bilden. "Die große Koalition hat abgewirtschaftet, ohne Wenn und Aber", sagte sie der ARD. "Die SPD muss sich entscheiden, ob sie sich aus der Umklammerung (ihres bisherigen Koalitionspartners CDU) lösen will." Der Wahlerfolg der Grünen zeige, dass sich "eine glaubwürdige, konstruktive Politik auszahlt", sagte Roth. "Die Menschen wollen, dass man nicht nur über Klimaschutz redet, sondern handelt." Roth wertete das Ergebnis als "wichtiges Signal" für den Bund vor allem in Hinsicht auf das Jahr 2008, in dem es zahlreiche Wahlen gebe. Die Grünen seien auf Wachstumskurs, sagte sie der ARD.
yas/Reuters/dpa/AP