Versammlungsfreiheit Karlsruhe erschwert Durchsuchung von Demonstranten

Das Bundesverfassungsgericht hat die Versammlungsfreiheit gestärkt. Künftig dürfen Demonstranten nur noch durchsucht werden, wenn ein konkreter Verdacht gegen sie vorliegt. Die Polizei fühlt sich alleine gelassen.
Festnahme am Rande einer Demonstration: Durchsuchung nur bei konkretem Verdacht

Festnahme am Rande einer Demonstration: Durchsuchung nur bei konkretem Verdacht

Foto: KAI-UWE KNOTH/ AP

Bundesverfassungsgericht

Karlsruhe - Die Polizei darf Teilnehmer einer Demonstration künftig nur noch dann durchsuchen, wenn konkret eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Allgemeine Verdachtsmomente reichen nicht mehr aus, entschied das Karlsruher in einem am Donnerstag bekanntgegebenen Beschluss. Die Polizei reagierte kritisch - sie sieht die Sicherung solcher Demonstrationen gefährdet.

Die Richter gaben mit ihrem Urteil damit der Verfassungsbeschwerde von Veranstaltern einer rechten Demonstration in Bielefeld statt, die sich im Jahr 2002 gegen eine Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht richtete (Az.: 1 BvR 2636/04).

Konrad Freiberg

"Das stellt uns für die Zukunft vor große Herausforderungen", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, , der Nachrichtenagentur dpa. Rechte und linke Gewalt nähmen stark zu. Hinzu komme, dass immer häufiger gezielt Polizisten angegriffen würden. Die Polizei gerate oft zwischen die Fronten, deshalb seien Durchsuchungen bei Demos für die Beamten ein sehr wichtiges Mittel.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) kritisierte die Entscheidung als praxisfern. "Das Gericht setzt damit zu hohe Hürden und lässt letztlich die Polizei mit dem Problem, gewalttätige Auseinandersetzungen zu verhindern, allein", heißt es in einer Stellungnahme des DPolG-Vorsitzenden Rainer Wendt. Das Bundesverfassungsgericht müsse "endlich verstehen, dass es auch eine Verantwortung im Bereich der inneren Sicherheit besitzt", so Wendt.

In dem Bielefelder Fall hatte die Polizei angeordnet, dass alle Teilnehmer der Demonstration vor Beginn der Veranstaltung durchsucht werden sollten. Grund waren Erfahrungen aus ähnlichen Demonstrationen, bei denen es zu Zusammenstößen zwischen rechten und linken Demonstranten gekommen war.

Diese Einschätzung reiche jedoch nicht aus, um eine Durchsuchung aller Teilnehmer zu rechtfertigen, so das Bundesverfassungsgericht. Eine Durchsuchung sei geeignet, "einschüchternde, diskriminierende Wirkung zu entfalten". Dies könne potenzielle Versammlungsteilnehmer von einer Teilnahme abhalten, so das Gericht. Deshalb sei eine Gefahrenprognose aufgrund konkreter Anhaltspunkte erforderlich.

Soweit Störungen durch gewaltbereite Gegendemonstranten zu befürchten seien, hätten die Polizei zunächst gegen diese vorgehen müssen. Gefahren, die von Gegendemonstranten drohen, seien den Veranstaltern nicht zurechenbar, so die Verfassungsrichter.

Der Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, Wolfgang Beus, gab sich angesichts der Entscheidung gelassen. Die Polizei in NRW werde weiterhin durchsuchen, "wenn es einen konkreten Verdacht auf einen Verstoß gegen beispielsweise das Bewaffnungs- oder Vermummungsverbot gibt", sagte Beus. "Das ist nichts Neues für uns und deshalb gibt es auch bei unserer Arbeit keine Änderungen."

phw/dpa
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