Von der Leyens Bundeswehrreform Mehr Sein als Schein

Verteidigungsministerin von der Leyen: Erfolge dringend benötigt
Foto: Peter Steffen/ dpaAm Sonntag war im Wehrressort mal wieder Selbstverteidigung angesagt. Mit teils kruden Dementis versuchte das Haus von Ursula von der Leyen, eine SPIEGEL-Meldung zu zerstreuen. In der war zu lesen: Finanzminister Wolfgang Schäuble bezweifelt, dass die von Ministerin von der Leyen angekündigte Attraktivitätsoffensive für die Bundeswehr - ein millionenschweres Aufhübschungsprogramm - angesichts der desaströsen Ausrüstungslage der Truppe ihr Thema sein kann.
Dass Schäuble die Lage so sieht, ist wenig überraschend. Für den Hüter der schwarzen Null sind alle Versuche bedrohlich, die Budgets einzelner Ressorts zu erhöhen. So auch die Berechnungen aus von der Leyens Bendler-Block, wonach die Reformen und Wohlfühlgeschenke ab 2016 rund 300 Millionen Euro extra pro Jahr kosten würden. Auch wenn man am Ende vermutlich einen Kompromiss finden wird, schlug Schäuble Alarm.
Die Reaktion aus dem Bendler-Block zeigt, wie nervös die Ministerin derzeit ist. Die Umfragewerte, für von der Leyen ihr politisches Lebenselixier, sind im Keller. Gleichzeitig steht die Ministerin wie die Chefin einer Trümmertruppe da: Die Bundeswehr ist kaum noch in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Rüstungsbereich, den von der Leyen für rund eine Million Euro von Unternehmensberatern durchleuchten ließ, wird ebenfalls nicht in einigen Monaten aufzuräumen sein.
Von der Leyen braucht dringend Erfolge
Für die Ministerin erwächst aus all dem eine Art Belagerungsring, der immer näher an sie heranrückt. Bisher vom Erfolg verwöhnt, wird sie nun täglich bombardiert mit Pleiten, Pech und Pannen. Ihr sonst so gewinnendes Lächeln ist schon jetzt einer verkrampften Ernsthaftigkeit gewichen. Von der Leyen braucht dringend Erfolge, will sie sich im neuen Amt wirklich profilieren und für Höheres warmlaufen.
Die Nervosität in von der Leyens Team, das sich im Ministerium mehr und mehr einmauert, immer weniger auf Experten hört und stattdessen neue Projekte und Einsätze anschiebt, ist verständlich.
Mit der Attraktivitätsoffensive, von der Boulevardpresse als "Revolution" gefeiert, steht Ursula von der Leyen selbst infrage: Hat die Ministerin den Mund zu voll genommen? Von der Leyen hat sich in eine Grauzone begeben: zwischen Schein und Sein.
Wenn es um die desolate Ausrüstungslage der Bundeswehr geht, kann sie mit Recht auf ihre Vorgänger verweisen. Wer es gut mit ihr meint, würde sagen, dass erst sie mit ihrem Management-Ansatz die wahren Zustände offenlegte, die vorher verschleiert worden waren. Diese Offenheit, die von der Leyen angemahnt hat, ist für das Ressort dringend notwendig.
Nun aber, da sie bei ihren ureigenen Projekten mit dem Schönreden anfängt, läuft von der Leyen Gefahr, die gleichen Fehler wie ihre Vorgänger zu machen.