Scharfe Worte von Wolfgang Thierse zur Einigung um die Vertriebenenstiftung: Der Kompromiss sei für die Bundesregierung "beschämend". Erika Steinbach habe diese "halb erfolgreich" erpresst. Der Bundestags-Vizepräsident rechnet sogar mit weiteren Querelen.
Berlin - "Ich glaube, dass diese peinliche Hängepartie noch nicht zu Ende ist", sagte Wolfgang Thierse der "Frankfurter Rundschau". Denn inhaltlich sei die
Einigung über die Besetzung des Stiftungsrats der
hoch problematisch. "Die Stiftungsidee, nämlich die gemeinsame Erinnerung und Versöhnung mit unseren östlichen Nachbarn, ist hochgradig beschädigt", meinte der SPD-Politiker.
Vor allem aus Polen hatte es heftige Kritik an der umstrittenen Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV),
, gegeben. Die CDU-Politikerin verzichtete nun nach einem monatelangen Streit auf ihren Platz im Stiftungsrat, erstritt im Gegenzug aber für ihren Verband doppelt so viele Sitze. "Erika Steinbachs Erpressungsversuch war halb erfolgreich", sagte Thierse. "Der BdV bekommt mehr Sitze und mehr Einfluss. Das ist beschämend für Merkel und Westerwelle." Als Parlamentarier begrüße er aber, dass künftig der Bundestag die Mitglieder des Rats benennt und nicht die Bundesregierung.
Der Historiker Hans-Ulrich Wehler sieht eindeutig die Bundesregierung als Verlierer nach der Einigung der schwarz-gelben Koalition mit Steinbach. "Es ist kein Kompromiss, sondern eine Kapitulation vor Frau Steinbach und den Vertriebenenfunktionären", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Bundesaußenminister Guido Westerwelle habe zwar einen Verzicht von Steinbach auf ihren Sitz erreicht, doch stünden jetzt weitere Probleme an. "Dafür wurde die Anzahl der Vertreter der Vertriebenenverbände erhöht und zudem auf etwas sehr Wichtiges verzichtet, nämlich dass die Bundesregierung sofort ein Veto gegen Personen einlegen kann, die sie nicht in dem Gremium wünscht", sagte Wehler. Dies sei aber vor allem deshalb wichtig, weil sich im Kreis der
oft umstrittene Persönlichkeiten bewegten.
Dagegen sieht Bundesaußenminister Westerwelle den Konflikt um die Vertriebenenstiftung beendet. "Mir ging es ausschließlich darum, dass das deutsch-polnische Verhältnis nicht belastet wird. Es ist historisch belastet genug", sagte der FDP-Politiker. Er hatte sich aus Sorge vor außenpolitischen Querelen vehement gegen Steinbachs Einzug in den Stiftungsrat gesträubt. Denn in Polen ist die Vertriebenen-Präsidentin eine Reizfigur, weil sie die Oder-Neiße-Grenze 1991 im Bundestag nicht anerkannt hatte. Er hege aber "keine persönlichen Animositäten gegen Frau Steinbach", sagte Westerwelle. "So wie die Entscheidung getroffen ist, ist sie außenpolitisch klug und innenpolitisch vernünftig."