Villen-Weg am Griebnitzsee Spaziergänger müssen leider draußen bleiben

Sperrzaun vor Villa am Griebnitzsee in Potsdam: Anrainer brachten 3,6 Millionen Euro auf
Foto: dapdPotsdam - Die Villenbesitzer am Griebnitzsee wohnen auf historischem Boden, das beweist schon der wechselvolle Name der Uferstraße im Luxusviertel. Einst hieß sie Kaiserstraße, um 1900 wohnten in den Prachtvillen viele jüdische Familien. Dann kamen die Nazis, nahmen den jüdischen Bewohnern die Immobilien weg und benannten die Chaussee in "Straße der SA" um. Nach dem Zweiten Weltkrieg bauten die Kommunisten am Ufer die Berliner Mauer auf und gaben der Straße ihren heutigen Namen: Karl-Marx-Straße.
Doch außer dem Namen ist nicht viel DDR geblieben. Die Mauer ist weg, in den Villen haben sich Top-Manager und Baulöwen niedergelassen. Und die wollen jetzt ihre Ruhe haben.
Seit Jahren ringen die Villenbesitzer mit der Stadt um einen Uferweg, der bis 1990 DDR-Grenzern gedient hatte. Nach der Wende konnten Spaziergänger den nutzen, der jedoch häufig über die Privatgrundstücke vermögender Anwohner führte. Im April 2009 sperrten einige Anrainer den Weg zu. 20 Jahren nach dem Fall der Mauer prägen neue Sperrzäune das Luxusviertel.
Im Zentrum des Konflikts stehen 51 Uferflächen, die sich noch in der Hand des Bundes befinden und verkauft werden sollen. Sowohl die Stadt als auch vermögende Anwohner wollen die Grundstücke erwerben - allerdings mit unterschiedlichen Absichten: Die Stadt will sich den Seezugang sichern, um langfristig einen öffentlichen Uferweg durchzusetzen. Die Anwohner wollen genau dies verhindern.
Dabei hätte der Streit längst geklärt sein können. Briefwechsel von damals belegen, dass es die Landesregierung von schon vor Jahren versäumt hat, die bundeseigenen Flächen am Griebnitzsee für die Öffentlichkeit zu sichern.
ehemaligen Mauer- und Grenzgrundstücke
Am 17. Juni 2003 erklärte der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) in einem Schreiben, der Bund sei "grundsätzlich auch bereit, die restlichen unentgeltlich" auf die neuen Länder zu übertragen - allerdings müssten alle Landesregierungen der Sache zustimmen.
Brandenburg legte wenig Ehrgeiz an den Tag
Hintergrund des Angebots war die Schaffung des "Grünen Bandes" an der innerdeutschen Grenze. Auf dem alten Todesstreifen sollte ein Naturpark entstehen. Doch von Anfang an ging es auch um die Mauergrundstücke in und um Berlin, wie aus einem Brief des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) hervorgeht.
Das "Angebot des Bundes" umfasse nicht nur "die Flächen des Grünen Bandes", sondern "sämtliche dem Mauergrundstücksgesetz unterliegende Flächen des Bundes, so auch Berliner Mauergrundstücke", erklärte Milbradt. Dazu zählt auch der Uferweg am Griebnitzsee.
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD)
Doch die Regierung von legte wenig Ehrgeiz an den Tag, diese Flächen für die Allgemeinheit zu sichern.
erfuhr am 2. Juli 2003 vom Angebot des Bundes. Doch erst anderthalb Jahre später, am 17. Dezember 2004, wandte sich der damalige Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) an Eichel. Er nehme das Angebot an, allerdings "unter dem Vorbehalt der Erfüllung" einiger Maßnahmen. Woidke wollte vor allem auf die Kosten für die Vermessung sowie auf Altlastenfälle verzichten.
Das ließ sich Eichel nicht gefallen. Am 28. Februar 2005 schrieb er zurück, dass der Bund die "skizzierten Maßgaben" des Ministers "nicht akzeptieren" könne.
Ein Brief einer damaligen Beigeordneten der Stadt Potsdam zeigt, dass die Landesregierung über die Bedeutung der Mauergrundstücke für den öffentlichen Uferweg gut informiert war. Die Beamtin meldete sich im September 2005 mit einem Brief beim Umweltministerium. Die Frau klang besorgt.
Sie sei über den "Dissens" mit dem Bundesfinanzministerium informiert und wolle sich eine Anmerkung erlauben. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Stadt immer darauf angewiesen gewesen, Ufergrundstücke "vom Bund käuflich erwerben zu müssen", um ihr Uferkonzept zu realisieren. Diese Kosten würden "entbehrlich werden, wenn die neuen Länder auf das Angebot des BMF eingingen."
Die Mitarbeiterin entkräftete die Befürchtungen, durch die Übertragung könnten beim Land Kosten anfallen. Die "Belastungen, die das Land mit der Übernahme der Mauergrundstücke befürchtete", würden aus ihrer Sicht "wohl kaum eintreten." Falls doch, könne die Stadt die Übernahme zusichern.
Doch ihre Bitte, Brandenburg "möge die Einigung" der Länder "aktiv betreiben", war umsonst. Die kostenlose Übertragung der Berliner Mauergrundstücke fiel aus.
Das geht aus der E-Mail eines Mitarbeiters des Umweltministeriums vom August 2006 hervor. Darin heißt es: "Brandenburg hat dem Vorschlag, die MauerG-Flächen in und um Berlin aus den weiteren Verhandlungen zum Grünen Band auszuklammern, zugestimmt."
Von einer Schenkung ist keine Rede mehr - ganz im Gegenteil
Das Umweltministerium von Brandenburg macht nun die ablehnende Haltung der Regierung von Sachsen für das Scheitern verantwortlich. Alle neuen Länder hätten dem Angebot zustimmen müssen. Doch das Nachbarland habe sich gesperrt, da die unentgeltlich übertragenen Grundstücke kein Geld mehr für den Mauergrundstücksfonds eingebracht hätten, erklärt eine Sprecherin des Ministeriums. Denn die Erträge aus den Verkäufen von Mauergrundstücken fließen in diesen Fonds und werden anschließend auf die Länder verteilt. Sachsen profitiert von diesen Ausschüttungen stärker als andere Länder - und bangte offenbar um Millioneneinnahmen.
Heute, vier Jahre später, ist von einer Schenkung der Mauergrundstücke in und um Berlin keine Rede mehr. Der Bund hat seine Strategie auf den Kopf gestellt - und will die Flächen nun höchstbietend verkaufen. "Die Erzielung des vollen (Markt-) Wertes" diene dem "Allgemeinwohl und Allgemeinnutzen am meisten", schrieb Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD).
Damit ist am Griebnitzsee eine Vorentscheidung gefallen. Denn im August endete eine Bieterfrist für die Ufergrundstücke. Die Stadt hatte drei Millionen Euro geboten, die Seeanrainer brachten 3,6 Millionen Euro auf. Nun könnte nur noch der Haushaltsausschuss des Bundestages den Verkauf an die Villenbesitzer stoppen.
Um sich ein Bild zu machen, kommen die Parlamentarier am Donnerstag zum Ortstermin an den Griebnitzsee. Treffpunkt ist der Bahnhof, bis 1990 DDR-Grenzkontrollpunkt. Ein historischer Ort, wie könnte es anders sein am Griebnitzsee.