Volmers Nebenjob-Affäre "Wenn wir diesen Fall nicht aufklären, ist unsere Glaubwürdigkeit dahin"
Berlin - Für die Spitze von Fraktion und Partei ist die Affäre um Ludger Volmer schon keine mehr. Durch die Bank hieß es am Freitag aus den Leitstellen der grünen Politikmaschine, zu dem Streit um die Nebentätigkeiten des Ex-Staatsministers als Berater der Bundesdruckerei gebe es "nichts mehr weiter" zu sagen.
In der Diktion der konzertierten Abmoderation steckt allerdings stets eine Rückversicherung, die keiner der Beteiligten missen möchte. "Nach all dem, was wir bisher wissen" oder "nach meinem aktuellen Kenntnisstand", heißt es dann relativierend und gleichzeitig leicht drohend. Echte Solidaritätsadressen hören sich in der Politik jedenfalls anders an.
Auf der offiziellen Ebene zumindest hält die Linie bisher. Gebetsmühlenartig wiederholten Top-Grüne sie in den letzten Tagen, auch wenn niemand es mehr wissen wollte. Festgelegt hatten sich die Spitzen am Mittwochnachmittag. Zuvor hatten die Parteichefs und Fraktionsspitze Volmer in einer Telefonkonferenz über seine Tätigkeit in der Beratungsgesellschaft "Synthesis" befragt. In diesem Gespräch beteuerte Volmer, sein Mandat als Bundestagsabgeordneter nicht mit seiner Türöffnerfunktion für die Bundesdruckerei im Ausland verquickt zu haben. Daraufhin entschloss sich die Runde, den umstrittenen Politiker vorerst nicht fallen zu lassen. Gleichwohl hieß es von Anfang an, dass einige Fragen zu Volmers Beraterjob noch geklärt werden müssten.
Bisher ist es nur ein Verdacht, doch immer mehr Grüne mögen die harmlose Darstellung von Volmer über seine Firma nicht so recht glauben. Die kleine Gesellschaft berät hauptsächlich die Bundesdruckerei für Geschäfte mit deutscher Passtechnik im Ausland. Genau in dieser Mission war der ehemalige Staatsminister in Joschka Fischers Außenamt (AA) mindestens zweimal in den vergangenen zwei Jahren für "Synthesis" unterwegs, einmal in Südafrika und einmal in Vietnam. Die Tätigkeit an sich hatte er dem Bundestag offenbart, die geschäftliche Natur der beiden Trips jedoch erst auf Nachfrage eingestanden.
Wo ist das Problem?
Auf die Frage, ob seine alten Kontakte aus dem AA oder seine Stellung als Abgeordneter ihm bei seinem Job helfen, reagierte er uneindeutig. Er sei natürlich in vielen Ländern und "insbesondere bei Regierungsstellen" noch aus der Vergangenheit bekannt, so Volmer. Daneben betont der ehemalige Vorzeige-Linke der Partei stets, dass er alle Formalien des Bundestags korrekt gefolgt habe. Allein deshalb sei die ganze Aufregung um seinen Nebenjob eine Kampagne ohne faktischen Hintergrund. Fast ein bisschen naiv wirkt der Vollblut-Politiker Volmer in dieser neuen Rolle. "Ich verstehe überhaupt nicht, wo das Problem ist", fragte er sich kürzlich im Gespräch mit einem Journalisten.
Schon jetzt aber bekommt der Fall Volmer gemeinsam mit dem Untersuchungsausschuss über die so genannte Visa-Affäre ein bitteres Geschmäckle. Die Union bereitete sich bereits vor den Enthüllungen über "Synthesis" auf eine Attacke gegen Rot-Grün in Person von Ex-Staatssekretär Volmer und seinem Chef Joschka Fischer vor. Nun fragen die CDU-Vorkämpfer gern öffentlich, ob Volmer vielleicht schon während seiner Zeit im AA mit "Synthesis" zu tun hatte oder mit der Bundesdruckerei wegen der umstrittenen Reiseschutzpässe Tuchfühlung hatte. Auch wenn es bisher keinen Beweis für die Verbindung gibt, reichen die Äußerungen allein für erheblichen politischen Schaden. Schon deshalb sind viele Grüne sauer auf Volmer, dem es offenkundig an politischer Weitsicht fehlte, als er den Job bei "Synthesis" antrat.
Mit dem von der Parteispitze verordneten Ende der Diskussion um Volmer will sich so mancher Grüne nicht abgeben. Bisher traut sich aus der Bundestagsfraktion nur Winfried Hermann aus der Deckung. "Es ist doch schon jetzt offenkundig, dass bei dem Kollegen mögliche Überschneidungen von Mandat und Beruf ergeben, die politisch hochbrisant sind", sagte Hermann am Freitag. Deshalb müsse Volmer sich "noch einmal und dann auch vor der ganzen Fraktion" erklären. Neben üblichen politischen Grabenkämpfen steckt hinter Hermanns Worten auch eine Grundsatzfrage für die bisher stets als Saubermänner-Partei geltenden Grünen. "Wenn wir diesen Fall nicht exakt aufklären und mögliche Konsequenzen ziehen, ist unsere Glaubwürdigkeit dahin."
Sprecherposten auf dem Prüfstand
Auch mit möglichen Konsequenzen hält Hermann sich nicht zurück. Fast drohend erinnerte er an den Fall des grünen Bundestagsmitglieds Cem Özdemir, der vor 1999 zugeben musste, einen Kredit von 80 000 Mark beim Politberater Moritz Hunzinger aufgenommen und dienstlich erworbene Bonusmeilen der Lufthansa für private Flüge verwendet zu haben. Anschließend räumte der seinen Posten als innenpolitischer Sprecher, während sein Kollege Rezzo Schlauch die Bonusmeilenaffäre schlicht aussaß. Das gleiche Schicksal wie Özdemir könnte nun auch Volmer als außenpolitischer Sprecher ereilen. "Über die Sprecher-Position muss man auf jeden Fall reden, denn sonst verlieren wir unsere politische Linie", forderte Winfried Hermann.
Ganz allein ist Hermann mit seiner Kritik nicht mehr. Auch der Parteivorsitzende Rainhard Bütikofer kündigte vorsichtig an, den Vorgängen um Ludger Volmer "näher nachgehen" zu wollen. Ähnliche Stimmen, bisher noch anonym, sind auch von anderen Mitgliedern aus der Parteispitze zu hören. Am liebsten aber würden sie die Affäre intern mit Volmer klären und in aller Stille über Konsequenzen nachdenken. "Der Image-Schaden ist jetzt schon da", hieß es aus der Grünen-Zentrale, "nun müssen wir ihn nicht noch durch einen öffentlichen Schlagabtausch vergrößern". Folglich soll der Fall übers Wochenende erst mal ruhen.
Für Ludger Volmer selber indes wird es kein ruhiges Wochenende. Schon jetzt haben ihn seine Parteifreunde aus Nordrhein-Westfalen zu einem persönlichen oder zumindest telefonischen Rapport bestellt. Noch einigermaßen wertfrei forderte die Landesvorsitzende Britta Hasselmann eine "schnelle und lückenlose Aufklärung", erst danach wolle man die Angelegenheit bewerten. Für diese Bewertung gibt es auch einen passenden Termin, denn am kommenden Montag tagt in Düsseldorf der Landesvorstand und wird sich mit dem "Thema des Kollegen Ludger V. sicherlich eingehend beschäftigen", so ein hochrangiger NRW-Grüner. Schon jetzt sind viele, die den als arrogant geltenden Volmer auch in der Vergangenheit nicht so gut leiden konnten, gespannt, wie er sich "aus dem Mist" rausreden wird.
Konsequenzen auf die politische Karriere wird der Fall "Synthesis" wohl auf jeden Fall haben. Schon jetzt frotzelt so mancher Grüne in Volmers Landesverband, die Frage des Sprecherpostens werde in Düsseldorf und nicht in Berlin entschieden. Hintergrund ist der Landeslistenplatz, den der gebürtige Gelsenkirchener für einen Wiedereinzug in den Bundestag im Jahr 2006 dringend benötigen würde. Bei der letzten Aufstellung schaffte er es erst beim dritten Anlauf. "Nach dieser Nummer darf er sich kaum noch Chancen auf Mitleid ausrechnen", ätzte jetzt einer aus dem Führungszirkel der NRW-Partei. Damit wäre die politische Karriere Volmers, der es immerhin schon zum Staatsminister im Auswärtigen Amt brachte, endgültig beendet.