Altersvorsorge Union fürchtet Rentenwahlkampf der SPD

In CDU und CSU sind viele sauer - weil Ursula von der Leyen das Thema Rente auf die Tagesordnung gesetzt hat. "Da können wir gar nicht punkten", klagt ein Unionspolitiker. Tatsächlich dürfte die Debatte vor allem der SPD nützen.
Rentner in Dresden: Wird Altersarmut zum Wahlkampfthema?

Rentner in Dresden: Wird Altersarmut zum Wahlkampfthema?

Foto: Matthias Hiekel/ dpa

Berlin - Wie ihr Rentenkonzept genau aussehen soll, darüber ist sich die SPD noch nicht einig. Aber klar dürfte vielen Genossen sein, dass sie mit der Bekämpfung der Altersarmut an einem Thema werkeln, mit dem sie mal wieder richtig punkten könnten. Kurzfristig - aber auch mit Blick auf den kommenden Bundestagswahlkampf.

Mehrfach wurde Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) von den eigenen Leuten zurückgepfiffen, als sie jüngst Vorschläge zur besseren Absicherung von Geringverdienern im Alter machte. Nun kommt die SPD.

Die Christdemokratin von der Leyen hat ein Großthema gesetzt - doch damit auch zugleich der Opposition eine Vorlage geliefert. "Die Menschen haben ein gutes Gespür dafür, für wen soziale Gerechtigkeit ein wirkliches Anliegen ist", sagt Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.

Die strategischen Überlegungen in der SPD dürften in etwa so aussehen: Von der Leyen hat das Thema groß gemacht, nun können sich die Sozialdemokraten mit ihrem Rentenkonzept als Kleine-Leute-Kümmerer präsentieren. "Dem Thema dient das", sagt Parteichef Sigmar Gabriel über den öffentlichen Rentenstreit in der Koalition. Was er nicht sagt, aber viele Genossen denken: Es könnte am Ende auch der SPD nützen. "Je mehr sich die Menschen mit unserem Konzept auseinandersetzen, desto besser wird deutlich werden, dass wir die gerechtere Lösung haben", sagt Fraktionsgeschäftsführer Oppermann.

Der SPD wird hohe Gerechtigkeitskompetenz zugeschrieben

Agenda 2010 hin oder her, beim Thema Soziales wird der SPD von den Bürgern immer noch mehr als den anderen Parteien zugetraut. Es ist eines der wenigen Kompetenzfelder, auf denen die Partei klar vor der Union liegt. In einer Infratest-Umfrage kam die SPD dort zuletzt bei der Frage, wer für soziale Gerechtigkeit sorge, auf satte 41 Prozent - CDU/CSU hingegen nur auf magere 20 Prozent. Solche Werte gelten in den Reihen der schwarz-gelben Koalition als Alarmzeichen. Vor allem bei der Union geht die Sorge vor einem Rentenwahlkampf der SPD um. Wenn CDU und CSU keine schlüssigen Antworten auf die von der Arbeitsministerin aufgezeigten Versorgungsengpässe finden, könnten die Sozialdemokraten in diese Lücke stoßen. Dann würde sich die SPD als Schutzmacht vor Erwerbs- und Altersarmut profilieren.

Ein Mitglied des Unionsfraktionsvorstandes empört sich darüber, dass die Ministerin das Thema nach vorne geschoben hat und es nicht mehr so schnell einzufangen ist. "Ganz Deutschland freut sich über die gute Finanzlage der Rentenversicherung, die Stimmung ist gut und da kommt dann so eine Debatte, die uns die Ministerin ohne Not ins eigene Nest legt. Da wird das eigene Profil über das Interesse der Partei gestellt", sagt er. Und fügt bitter hinzu: "Das ist brandgefährlich, denn bei dem Thema können wir als Union gar nicht punkten. Egal, was wir tun."

Doch von der Leyen ist beharrlich, macht weiter Druck. Am Dienstag wurde das Thema mit ihr in der Arbeitsgruppe Soziales der Unionsfraktion besprochen, allerdings ohne neue Ergebnisse, wie es hieß. Die Christdemokratin hat wiederholt klargemacht, dass sie bis Ende Oktober von der Koalition "Richtungsentscheidungen" in der Sache erwartet. "Sie macht unheimlich viel und subtil Druck", heißt es aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Auch die FDP ist in Sorge

Die FDP kann vergleichsweise entspannt auf den Streit in der Union blicken - die Sicherung der Rente ist kein Kernthema, mit ihm wird die Partei kaum mehr Wähler an sich binden können. Volker Wissing, Vizechef der Bundestagsfraktion, warnt trotzdem: "Die Altersvorsorge ist ein zu sensibles Thema, um es für den Wahlkampf zu missbrauchen." Die Parteien seien daher gut beraten, gemeinsam daran zu arbeiten, die Rente für die Zukunft zu sichern.

In der Unionsfraktion sind es besonders die Abgeordneten der Jungen Gruppe, die beim Thema Zuschussrente mit ihrer Ministerin über Kreuz liegen. Hier gibt es ebenfalls Befürchtungen, am Ende könnte das Ganze im kommenden Bundestagswahlkampf eine so dominierende Rolle spielen, dass CDU und CSU gleichermaßen in die Enge getrieben werden könnten. "Allen Parteien tut es nicht gut, einen Rentenwahlkampf zu führen, weil die Ängste in der Bevölkerung zu groß sind, wie unberechtigt und berechtigt sie auch sind", sagt Philipp Mißfelder, Mitglied der Jungen Gruppe und im CDU-Präsidium. "Es hat doch in Zukunft niemand auf diesem Feld gute Nachrichten zu verkünden, dafür reicht ein Blick auf den demografischen Wandel", sagt er.

Doch von der Leyen denkt nicht daran, ihr Thema so schnell zu versenken. Sie will eine Lösung, zunächst mit CDU und CSU, dann in der Koalition. "Wir sollten in der Rente jetzt die Weichen richtig stellen und sie damit nicht zum Wahlkampfthema machen", sagte die Ministerin kürzlich. Im Klartext heißt das wohl: Sorgt für eine Einigung, dann wird das Thema auch nicht von der SPD im kommenden Jahr gespielt.

Das empfinden manche in ihrer Fraktion als subtile Erpressung.

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