Vor SPD-Parteitag Steinbrück warnt vor Wahlkampf à la Schröder

Finanzminister Steinbrück: "Wahlen werden in der Mitte entschieden"
Foto: DPABerlin - Am Vortag des SPD-Parteitages, an dem die Sozialdemokraten unter anderem ihr Wahlprogramm beschließen wollen, hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück von seiner Partei eine stärkere Konzentration auf die politische Mitte gefordert. "Wahlen werden in Deutschland in der Mitte entschieden, nicht an den Rändern und nicht in der Addition von Minderheitsinteressen", sagte Steinbrück dem SPIEGEL. "Ich glaube, dass die SPD gefordert ist, sich in eine linke, aufgeklärte, bürgerliche Mitte hineinzubewegen. Als SPD möchte ich den anderen weder den Begriff 'bürgerlich' überlassen noch den Begriff der Liberalität."
Zugleich warnte der Bundesfinanzminister seine Partei davor, jetzt auf allzu scharfe Attacken gegen Union und FDP zu setzen. "Die Menschen haben von ritualisierten Auseinandersetzungen ziemlich die Schnauze voll. Sie können auch ein bloßes Gekläffe nicht nachvollziehen", so der stellvertretende SPD-Vorsitzende. "Angreifen darf man. Das tun die politischen Gegner auch. Aber die Tonlage eines kleinen Hundes, der einem an die Beinkleider geht, kommt bei vielen Wählerinnen und Wählern nicht an."
Müntefering will Wahlkampf à la Schröder
In diesem Zusammenhang mahnte Steinbrück die SPD, im anstehenden Bundestagswahlkampf nicht den Wahlkampfstil des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder zu übernehmen. "Schröder hat einen hohen Unterhaltungswert, aber ich rate keinem, ihn kopieren zu wollen", sagte Steinbrück. "So einen kann man brauchen, aber das bedeutet nicht, dass ein anderer Stil nicht verfängt."
Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering kündigte dagegen an, dass die Sozialdemokraten den Wahlkampf für die am 27. September stattfindende Bundestagswahl nach dem Vorbild des Wahlkampfes von 2005 gestalten werden. "Wir haben es damals geschafft zu mobilisieren. So machen wir es diesmal wieder", sagte er der "Passauer Neuen Presse".
Der am Sonntag beginnende Parteitag steht im Zeichen der schweren Schlappe der SPD bei der Europawahl am vergangenen Wochenende, wo sie mit 20,8 Prozent ihr niedrigstes bundesweites Wahlergebnis seit 1945 eingefahren hatte. Auch aktuelle Umfragen sehen die Partei in einem Tief: Laut den Zahlen des am Freitag veröffentlichten ZDF-Politbarometers mussten die Sozialdemokraten wieder deutliche Einbußen in der Wählergunst hinnehmen. Sie verloren im Vergleich zu Ende Mai acht Punkte und erreichten nur noch 22 Prozent.
Wahlprogramm im Zeichen der Krise
Im Mittelpunkt des Parteitages wird das Wahlprogramm stehen, dass von den 525 Delegierten verabschiedet werden soll. Den Schwerpunkt des 58-seitigen Papiers mit dem Titel "Sozial und demokratisch. Anpacken. Für Deutschland" bilden Ansätze zu Bewältigung der Wirtschaftskrise. Unter anderem fordert die SPD Steuererleichterungen für Geringverdiener und höhere Belastungen für Gutverdiener.
Falls die SPD im Herbst an die Regierung kommen sollte, will sie laut Programm den Eingangsteuersatz von 14 auf zehn Prozent senken und den Spitzensteuersatz von 45 auf 47 Prozent erhöhen. Die Mehreinnahmen daraus würden in Bildung investiert. Wer künftig beim Finanzamt per Postkarte auf seine Steuererklärung verzichtet, soll nach dem Willen der SPD einen Lohnsteuerbonus von 300 Euro bekommen.
Die SPD fordert außerdem klare Regeln für die im Zuge der Krise außer Kontrolle geratenen Finanzmärkte sowie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Ferner würde sie eine Börsenumsatzsteuer einführen und Steuerhinterziehung verstärkt bekämpfen, wenn sie an die Macht kommen sollte. Bei der Wende hin zu erneuerbaren Energien soll es bleiben, ebenso beim Atomausstieg.
Genossen fordern Einsatz von Steinmeier
Außerdem wird erwartet, dass der Kanzlerkandidat der SPD, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, den Parteitag für eine kämpferische Rede nutzt. Der SPD-Abgeordnete Klaus-Uwe Benneter, der unter Schröder SPD-Generalsekretär war, sagte "Bild": "Frank muss jetzt deutlich machen, welchen Anteil wir an der Regierung haben. Er muss die Ärmel hochkrempeln wie früher Gerhard Schröder."
Parteichef Müntefering stellte sich in gleich mehreren Interviews hinter Steinmeier. Eine Diskussion über das Führungspersonal soll offenbar gar nicht erst aufkommen.
In der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Samstag) hielt Müntefering der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, sie habe es wiederholt zugelassen, dass Beschlüsse der Bundesregierung von Kabinettsmitgliedern der Union in Frage gestellt worden seien. "Das zerstört die Autorität einer Bundesregierung." Im Herbst würden Merkel und Steinmeier auf gleicher Ebene als Kandidaten um das Kanzleramt Wahlkampf machen. "Noch ist die Kanzlerin als Geschäftsführerin der Regierung tätig und gibt sich präsidial. Das wird dann nicht mehr funktionieren." In den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" unterstrich Müntefering, eine Kurskorrektur der SPD sei nicht notwendig.
Grüne rufen SPD zur Jagd auf Unionsstimmen
Bundesfinanzminister Steinbrück wandte sich auch gegen Spekulationen, er könne an Stelle von Steinmeier als SPD-Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl ziehen: "Ein Wechsel drei Monate vor der Wahl, das ist völliger Unsinn", sagte Steinbrück im "Focus". "Ich mache das nicht."
Vom Wunsch-Koalitionspartner Grüne erhielt Steinmeier den Rat, den Kampf um die Unionswähler aufzunehmen. Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin riet SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier in der "Leipziger Volkszeitung": "Er sollte endlich den Kampf um die Unionswähler aufnehmen." Für die Bundestagswahl im September deute vieles darauf hin, dass die Union keine 35 Prozent schaffe. "Merkel muss nun um die Wähler der FDP kämpfen, Steinmeier kann ihr also durchaus noch Stimmen abjagen."