Vorgeschobene Kriegsgründe US-Sympathisanten der Union in der Klemme
Berlin - "Wir können diesen Raum gerne um fünf Grad runterkühlen", sagt der Mann am Pult und grinst. Unter den Gästen in der baden-württembergischen Landesvertretung kann niemand so recht über den Scherz lachen, am wenigsten Jeffrey Gedmin. Der hagere Amerikaner muss an diesem Abend mit Grünen-Chefin Angelika Beer und FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt über das deutsch-amerikanische Verhältnis diskutieren. Ihm steht ein heißer Abend bevor.
Gedmin, Direktor der Berliner Außenstelle des konservativen amerikanischen Aspen-Instituts und glühender Kriegsbefürworter, schaltete sogleich von Verteidigung auf Angriff. Ja, er teile die Meinung des amerikanischen Ex-Botschafter John Kornblum, das deutsch-amerikanische Verhältnis werde "nie mehr so sein, wie es war". Und ja, die USA verfolgten wirtschaftliche Interessen im Irak.
Aber was bitte sei daran so schlimm? "Deutschland hat mit der Beteiligung am Kosovo-Krieg auch das Völkerrecht gebrochen", sagt Gedmin. Ums Öl gehe es im Irak allenfalls den Franzosen und den Russen. "Wir hätten die irakischen Ölquellen schon 1991 besetzen können." Wie bitte? Die Uno hatte der Kriegsallianz seinerzeit nur ein Mandat für die Befreiung Kuweits verliehen, keines für die Besetzung irakischer Ölquellen.
Er solle doch einfach etwas zum wahren Kriegsgrund sagen, bat Grünen-Chefin Angelika Beer listig. Gedmin schlug prompt zurück: Eine Frechheit sei es von den Deutschen gewesen, im Uno-Sicherheitsrat aktiv die Politik der USA zu hintertreiben. "Wie hätten die Deutschen reagiert, wenn die USA die Thatchers und Mitterrands unterstützt hätten, als es um die deutsche Wiedervereinigung ging?"
Merkels Schweigegelübde
Solche argumentative Scharmützel sind symptomatisch für die verbalen Rückzugsgefechte, denen sich die Kriegsbefürworter dieser Tage ausgesetzt sehen. Die Union etwa steckt seit dem Geständnis von US-Pentagon-Vize Paul Wolfowitz und der Aussage des britischen Außenministers Jack Straw, Massenvernichtungswaffen seien nie der zentrale Punkt in der Pro-Kriegs-Argumentation gewesen, in argen Erklärungsnöten. Genüsslich schmückt die "taz" ihre Titelseite mit Sätzen der CDU-Spitze aus den Vorkriegswochen. "Die Bedrohung durch Saddam Hussein und seine Massenvernichtungswaffen ist real", behauptete CDU-Chefin Angela Merkel am 8. Februar. Friedbert Pflüger, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, hatte vier Tage vorher gesagt: "Ich bin bestürzt, weil ich weiß, dass die Bundesregierung über Informationen verfügt, dass es Massenvernichtungswaffen im Irak gibt."
Vorbei die Zeiten, in denen Merkel mit schlagzeilenträchtigen USA-Reisen und Leitartikeln in US-Zeitungen der Position Washingtons huldigte. Was die Kriegsfrage betrifft, scheint sich Merkel ein Schweigegelübde auferlegt zu haben. Nichts, rein gar nichts war von ihr in letzter Zeit zu der brisanten Frage zu hören.
Die Parteichefin tut gut daran. Was geschieht, wenn Unionspolitiker lieber reden als schweigen, ist am Beispiel von Friedbert Pflüger zu besichtigen. Als er sich am Dienstag in der Arbeitsgruppe Äußeres über "die Kritik der internationalen Presse" an Wolfowitz beschwerte und forderte, die Union müsse sich hinter den Vize-Verteidigungsminister stellen, erntete er den Spott seiner Kollegen.
Die internationale Meinung sei eben so, sagte CDU-Außenexperte Volker Rühe lapidar. Statt Wolfowitz zu verteidigen, so Rühe, solle Pflüger die Bundesregierung lieber fragen, wie sie zu den Äußerungen des US-Politikers stehe. Der CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz forderte Pflüger auf, auch den demokratischen Senatoren in den USA seine Aufwartung zu machen. "Pflüger stand da wie ein Waisenkind", sagte einer der Teilnehmer.
Stoiber auf Straws Spuren
Die Blamage hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Tags darauf stand der CDU-Mann im TV-Studio neben Sandra Maischberger und versuchte, sich von Wolfowitz zu distanzieren. Nur tappte er dabei erneut in den Fettnapf. "Ich hätte ihm nicht geraten, diese Worte in die Welt zu setzen", sagte Pflüger. An der Kriegslüge selbst hatte er offenbar nichts auszusetzen.
CSU-Chef Edmund Stoiber nahm sich am Mittwoch im ZDF den britischen Außenminister Straw zum Vorbild. "Es waren ja nicht nur die Gründe, dass hier Massenvernichtungswaffen produziert werden", sagte Stoiber auf die Frage nach den Kriegsgründen. "Es wurde natürlich auch gesagt, es müsse ein Regimewechsel her. Die Amerikaner haben mehrere Gründe angegeben."
Während sich die Union vor allem auf Grund der Erkenntnis windet, zu den von den Alliierten Betrogenen zu gehören, ist die Bundesregierung darauf bedacht, Washington mit Triumphgeschrei nicht noch zusätzlich zu vergrätzen. Der Vorwurf von Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die USA hätten "die Welt getäuscht" und lediglich ihre Öl-Interessen verfolgt, war die erste und letzte Kritik aus Bundeskabinett und SPD-Spitze. Wer überhaupt etwas zu dem Thema sagt, der sagt, dass er nichts sagt. "Wir haben zur Kenntnis genommen, was sich da auf amerikanischem und englischem Boden abspielt", bekannte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt. "Aber für uns ist das kein Thema."