Streit um Vorratsdatenspeicherung EU will Deutschland verklagen

EU-Kommissarin Malmström: "Deutschland verletzt weiterhin EU-Recht"
Foto: Yves Logghe/ APBrüssel/Berlin - Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung verschärft sich der Ton zwischen Berlin und Brüssel. Deutschland steht eine Klage ins Haus, nachdem in der Nacht zum Freitag eine letzte von Brüssel gesetzte Frist abgelaufen ist.
Die EU-Kommission hatte Berlin die Frist gesetzt, um schriftlich darzulegen, wie die Bundesregierung die EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung konkret umsetzen will. Berlin kündigte der EU-Kommission zwar mit Blick auf ein entsprechendes Gesetz eine "zeitnahe Kabinettbefassung" an, doch das reicht der Kommission nicht aus, so dass sie schon Ende Mai den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg anrufen will.
"Was wir auf den ersten Blick sagen können ist, dass Deutschland anscheinend keinen Fortschritt bei der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gemacht hat und weiterhin EU-Recht verletzt", sagte ein Sprecher der zuständigen EU-Kommissarin Cecilia Malmström am Freitag in Brüssel. Mit einer Klage will die EU-Kommission nun die Bundesrepublik zwingen, ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorzulegen.
Der Vorwurf lautet, dass Deutschland die europäische Richtlinie von 2006 nicht umgesetzt hat. Sie sieht die Speicherung von Telefon- und Internetdaten zu Fahndungszwecken vor. Union und FDP können sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen, seit das Bundesverfassungsgericht die alte deutsche Regelung im März 2010 verworfen hatte.
Brüssel ist sauer über die Berliner Hinhaltetaktik
Die Union dringt gemäß den EU-Regeln auf eine sechsmonatige generelle Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will Internet- und Telefonverbindungsdaten hingegen nur bei konkreten Anlässen speichern lassen - IP-Adressen von Computern sollen pauschal sieben Tage lang gesichert werden. Das von Leutheusser-Schnarrenberger vorgelegte "Quick-Freeze-Verfahren" akzeptiert die EU-Kommission jedoch nicht. "Wir arbeiten daran, einen gemeinsamen Weg zu finden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Hinter den Kulissen zeigte sich die Brüsseler Behörde verärgert über die Hinhaltetaktik der Bundesregierung. Malmström hatte am Vortag nochmals betont, Berlin verklagen zu wollen. Deutschland habe viele Jahre Zeit gehabt, betonte die Kommissarin. Der EU-Sprecher sagte, dass die nächste Runde zur Einleitung solcher Klagen wegen Verletzung der EU-Verträge Ende Mai anstehe. Voraussichtlich werde die EU-Kommission dann ihre Entscheidung treffen.
Am Ende einer solchen Klage könnte ein Bußgeld gegen Deutschland in Millionenhöhe stehen. Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge sind keine Seltenheit - gegen Deutschland laufen mehr als 70, darunter ist die Klage wegen des VW-Gesetzes.