Vorratsdatenspeicherung Bundestagsjuristen lassen umstrittenen Gesetzentwurf durchfallen

Die Opposition und Teile der SPD kritisieren die geplante Vorratsdatenspeicherung harsch - nun kommen auch juristische Bedenken hinzu: Zwei Parlamentsgutachten sehen in dem Gesetzentwurf verfassungsrechtliche Mängel.
Justizminister Maas: Kritik von vielen Seiten

Justizminister Maas: Kritik von vielen Seiten

Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpa

Der Gesetzentwurf zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung erfüllt offenbar nicht alle verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben. Zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags weisen laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung"  auf mehrere Mängel des Vorhabens hin.

In dem Gutachten zur Vereinbarkeit des Gesetzes mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird dem Bericht zufolge unter anderem der mangelnde Schutz der Berufsgeheimnisträger beklagt. Der Entwurf von Justizminister Heiko Maas sieht vor, dass die Verbindungsdaten von Berufsgeheimnisträgern gespeichert, aber nicht verwendet werden dürfen.

Der Bundestag berät demnach an diesem Freitag erstmals über den Gesetzentwurf. Er sieht vor, dass Telekommunikationsdaten maximal zehn Wochen gespeichert werden sollen, damit Ermittler bei der Terrorismus- und Verbrechensbekämpfung darauf zugreifen können.

Die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Renate Künast, warf Maas unsaubere Arbeit vor. "Wer schwerste Grundrechtseingriffe mit der heißen Nadel strickt, produziert verfassungswidrige Gesetze", sagte die Grünen-Politikerin dem Blatt. Sie beklagte, dass "ausgerechnet der Justizminister die Rechte der Anwälte und der Journalisten gegen die klare Vorgabe des EuGH ignoriert".

Das Ende Mai beschlossene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung steht seit Wochen in der Kritik, auch innerhalb der Regierungskoalition. So sollen etwa hundert SPD-Gliederungen für den Parteikonvent im Juni Anträge eingereicht haben, in denen das umstrittene Ermittlungsinstrument abgelehnt wird. Viele SPD-Bundestagsabgeordnete sehen den Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas Berichten zufolge äußerst skeptisch.

Laut dem Gesetzentwurf sollen Anbieter die IP-Adressen von Computern und Verbindungsdaten zu Telefongesprächen künftig länger aufbewahren. Standortdaten bei Handygesprächen sollen höchstens vier Wochen gespeichert werden, Daten zum E-Mail-Verkehr gar nicht. Auch Kommunikationsinhalte werden nicht erfasst. Die Behörden dürfen die Daten nur zur Verfolgung bestimmter schwerer Straftaten nutzen.

Maas hatte sich lange dagegen gesperrt, nach dem Beschluss verteidigte er den Entwurf jedoch. Der Beschluss lasse sich nicht mit der alten Vorratsdatenspeicherung vergleichen, sagte er zuletzt. Die Speicherfristen seien weit kürzer, der Zugriff auf die Daten deutlich schwerer als zuvor.

Wie zuvor schon die FDP kündigten auch die Grünen an, gegen das Vorhaben vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. "Wir haben gegen die letzte Vorratsdatenspeicherung erfolgreich in Karlsruhe geklagt und werden auch diesmal gegen das grundrechtsfeindliche Vorhaben der großen Koalition gerichtlich vorgehen", sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz der "Rheinischen Post". Auch Netzaktivisten und Datenschützer kritisieren das Vorhaben seit Jahren.

mxw/dpa
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