Vorstandsentscheidung Gabriel mit 78 Prozent als SPD-Chef nominiert

Müntefering, Gabriel: Wechsel an der Parteispitze
Foto: THOMAS PETER/ REUTERSBerlin - Eine Woche nach dem Wahldebakel hat der SPD-Vorstand den bisherigen Umweltminister Sigmar Gabriel offiziell als Nachfolger von Parteichef Franz Müntefering nominiert. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa entfielen auf ihn 28 der 36 abgegebenen Stimmen. Vier Vorstandsmitglieder stimmten in der geheimen Wahl mit Nein, vier enthielten sich. Dies entspricht einer Zustimmung von 78 Prozent.
"Ich bin Kandidat", sagte Gabriel am Abend, das gelte auch für seine nominierten Kollegen. Er werde nun zu den Landesverbänden und Bezirken fahren, um sich dort vorzustellen. Er habe von der SPD-Spitze lediglich einen Vertrauensvorschuss erhalten. Gabriel räumte ein, dass die SPD in einer denkbar schwierigen Situation sei. Es werde Debatten geben über die Bilanz der elf Regierungsjahre. Dabei dürfe die Partei nicht alles Geleistete über Bord werfen, müsse aber auch über "kritische Themen" wie die Rente mit 67 und die Arbeitsmarktreformen beraten. Dies werde ein Prozess sein, "der auf dem Parteitag in Dresden beginnt und zwar nicht pro forma", betonte Gabriel. Notwendig sei dabei eine stärkere Beteiligung der Mitglieder.
Schon das SPD-Präsidium hatte sich am Nachmittag wie erwartet auf Sigmar Gabriel verständigt - ohne Gegenstimmen, doch nach Informationen von SPIEGEL ONLINE enthielt sich dort die ehemalige hessische Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti.
Sie dürfte mit ihrer Enthaltung bei der Abstimmung der hessischen Kritik am Auswahlverfahren Ausdruck verliehen haben. Ihr Nachfolger als SPD-Landeschef, Thorsten Schäfer-Gümbel, hatte in den vergangenen Tagen verstärkt kritisiert, dass die Suche nach der neuen Führungsriege nicht basisdemokratisch abgelaufen sei.
Mitglieder des Parteivorstands äußerten am Nachmittag Kritik am Verfahren. So sagte der Parteilinke Hermann Scheer, die neue Führung habe sich in einem Hauruck-Verfahren in einem "Akt der Selbstnominierung" an die Spitze gesetzt. "Dies ist nicht erträglich. Deswegen kann man dem auch nicht zustimmen."
Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft und der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit verteidigten hingegen das Vorgehen. Hinterzimmer seien gelegentlich gut und richtig zur Vorbereitung, sagte Kraft vor den Beratungen des Parteipräsidiums. Die neue Spitze habe "sich nicht in Hinterzimmern etabliert", sondern werde von den Parteigremien vorgeschlagen, erklärte Wowereit. Er und Kraft sollen zwei der vier SPD-Vizechefs werden.
Denkzettel für die Parteilinken
Auch die übrigen Personalien wurden wie erwartet beschlossen - allerdings waren auch hier die Wahlergebnisse im Vorstand alles andere als überragend. Abgestraft wurden vor allem die Parteilinken. Andrea Nahles erhielt als künftige Generalsekretärin 24 Ja-Stimmen. Die vier künftigen stellvertretenden Vorsitzenden sind Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (22 Ja), Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft, Bundesarbeitsminister Olaf Scholz sowie die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (alle 31 Ja). Der Europapolitiker Martin Schulz wird in herausgehobener Funktion Beauftragter des SPD-Vorstands für EU-Angelegenheiten.
Gabriel soll auf dem Parteitag die Nachfolge von Franz Müntefering antreten, der nicht erneut kandidieren will. Auf das am Montag abgesegnete Personaltableau hatte sich im Vorfeld der Gremiensitzungen ein enger Führungskreis der SPD verständigt, zu dem neben Gabriel und Nahles auch Müntefering sowie der bisherige Kanzlerkandidat und neue Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zählten.
Die SPD zieht damit die personellen Konsequenzen aus ihrem Debakel bei der Bundestagswahl, bei der sie elf Prozentpunkte verloren hatte und für die nächsten vier Jahre in die Opposition verwiesen wurde.