Wackelwährung Merkel zieht in die Euro-Schlacht

Beim Gipfeltreffen in Brüssel soll der Euro gerettet werden. Doch Kanzlerin Merkel hat kaum noch Freunde in Europa - weil sie nicht der Zahlmeister für die Euro-Schuldenmacher sein will. Finanzminister Schäuble hat eine andere Strategie.
Finanzminister Schäuble, Kanzlerin Merkel: "Was man als politische Union bezeichnet"

Finanzminister Schäuble, Kanzlerin Merkel: "Was man als politische Union bezeichnet"

Foto: Wolfgang Kumm/ dpa

Angela Merkel

Berlin - Wie absurd Politik beizeiten sein kann, führt Kanzlerin (CDU) derzeit auf europäischer Bühne vor. Sie hat viele EU-Staaten mit ihren Ansagen vergrätzt - und doch kaum etwas durchgesetzt.

Es läuft ziemlich mies für die Kanzlerin.

Ausgerechnet in dieser Woche, wenn am Donnerstag der entscheidende Brüsseler EU-Gipfel zur Zukunft des Euro startet, steht die Kanzlerin einsam da: Sie wollte einen dauerhaften Krisenmechanismus, der die Stabilität der Gemeinschaftswährung garantieren und private Gläubiger beteiligen sollte; nun bekommt sie eine weichgespülte Variante, bei der "von Fall zu Fall" entschieden werden soll.

Für Merkel steht viel auf dem Spiel: Daheim in Deutschland geht es um ihre Glaubwürdigkeit, in Europa um ihre Durchsetzungskraft.

Die ist eingeschränkt, weil besonders immer mehr kleinere EU-Partner das Gefühl haben, Merkel räume deutschen Interessen Vorrang ein. Deshalb setzt man sich zur Wehr. Symptomatisch, dass ausgerechnet der Premierminister des kleinen Luxemburg, Jean-Claude Juncker, in den vergangenen Tagen einen verbalen Kleinkrieg mit Berlin angezettelt hat. Weil Merkel seine Idee der Euro-Bonds - also gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Staaten zum finanziellen Nachteil Deutschlands - abbürstete, beklagte Juncker, Deutschland denke da "ein bisschen simpel".

Lange war ein deutscher Regierungschef nicht mehr so unbeliebt in Europa wie Merkel aktuell.

Wenigstens mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy konnte sie am Freitag eine gemeinsame Nein-Linie in Sachen Euro-Anleihen vereinbaren.Beim Krisenmechanismus aber bewegt sich nicht viel. So werden die europäischen Staats- und Regierungschefs auf dem Brüsseler Gipfel wohl zwei Sätze in den gerade erst mühselig verabschiedeten EU-Vertrag von Lissabon hineinschreiben: "Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einführen, der die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes sichert. Die Bewilligung finanzieller Hilfen wird dabei unter strikte Bedingungen gestellt."

So lautet der Entwurf für den Krisenmechanismus, der 2013 den Rettungsschirm ablösen soll. In der Erläuterung dazu heißt es, die Änderung vergrößere nicht die von den Mitgliedstaaten an die Gemeinschaft übertragenen Kompetenzen. Dies gilt zum Beispiel als Voraussetzung dafür, dass Irland die Änderung nicht seinem EU-kritischen Volk zur Abstimmung stellen muss.

Es bleiben: Nur zwei Sätze für die Rettung des Euro. Kann das gutgehen? Wenigstens hilft Merkel die Tatsache, dass es überhaupt eine Vertragsänderung geben soll. Denn ansonsten hätte im Falle des Falles eine Nothilfe vor dem Bundesverfassungsgericht wohl keinen Bestand.

Wolfgang Schäuble

Andere in Merkels Regierung scheinen allerdings schon über diese zwei Sätze hinaus zu denken. Denn Finanzminister (CDU) verfolgt eine eigene Agenda. Manchmal wirkt der 68-Jährige in diesen Tagen wie aus der Zeit gefallen. Wenn man ihn hört, erlebt die Ära Kohl ihre Wiederauferstehung.

Und das geht so: Während mancher das Auseinanderbrechen Europas befürchtet, sieht Schäuble in der Krise eher die Chance, den Staatenbund endlich enger zusammenwachsen zu lassen. Die Euro-Krise als Bühne des wohl letzten "Kohlianers" Schäuble: "Wir werden in zehn Jahren eine Struktur haben, die sehr viel stärker dem entspricht, was man als politische Union bezeichnet", sagte er der "Bild am Sonntag".

Zugleich bekundete Schäuble grundsätzliche Gesprächsbereitschaft über eine stärkere Verzahnung der Finanzpolitik der Euro-Staaten: "Als wir den Euro eingeführt haben, war die deutsche Position: die Währungsunion muss mit einer politischen Union verbunden werden." Damit habe sich Kohl aber nicht durchsetzen können. "Die Grundentscheidung war also, dass die Finanz- und Haushaltspolitik national geregelt wird. Wenn das geändert werden soll, dann kann man darüber reden." Damit lehnt Schäuble auch die Idee von Euro-Bonds nicht vollständig ab.

Längst haben die anderen EU-Verhandler erkannt, dass sich Merkel und Schäuble nicht nur in Nuancen unterscheiden. Für Merkel bedeutet das eine weitere Schwächung ihrer Position in Brüssel.

Die uneigennützig europafreundliche Linie des Finanzministers ist vielen im Regierungslager suspekt. Schäuble habe "die Denke von vor zwanzig Jahren", heißt es. Besonders die kleinen Koalitionsparteien FDP und CSU sind mit Blick auf ihre Anhänger bemüht, keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Stärkere Abstimmung in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik ja - aber nicht mehr.

So sagte FDP-Chef Guido Westerwelle der "Wirtschaftswoche", man müsse sicherstellen, "dass wir Deutschen die Hand auf unserer eigenen Kasse behalten". Und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer warnte vor der Juncker-Idee der Euro-Bonds: "Wer heute eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa zulässt, der landet morgen bei den Vereinigten Schulden-Staaten von Europa."

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt fordert von den EU-Staats- und Regierungschefs eine klare Absage an gemeinsame europäische Staatsanleihen. "Euro-Bonds sind nur das Codewort für: die deutsche Steuerkasse plündern", so Dobrindt zu SPIEGEL ONLINE. Es könne in Europa keine Arbeitsteilung geben "nach dem Motto: die einen machen die Schulden und die anderen müssen sie bezahlen".

Es sind auch diese harschen Töne, die die Zeitenwende in der EU offenbaren.

Mit Material von Reuters
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