Milliarden-Rüstungsexporte 2015 Von diesem Erfolg will Gabriel nichts wissen

Schützenpanzer "Puma": Deutsche Waffen verkaufen sich bestens
Foto: Holger Hollemann/ picture alliance / dpaWirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte am Freitag eine schwere Aufgabe. Am Mittag nahm der SPD-Vorsitzende etwas genervt vor der Hauptstadtpresse Platz. Ausnahmsweise aber sollte es mal nicht um sinkende Umfragewerte seiner schwächelnden Partei gehen. Stattdessen hatte Gabriel gute Zahlen zu präsentieren, jedenfalls aus Sicht der deutschen Wirtschaft. Für satte 7,5 Milliarden Euro konnte die Rüstungsindustrie im Jahr 2015 Waffen und Militärmaterial in alle Welt verkaufen, eine deutliche Steigerung im Gegensatz zu 2014.
Trotzdem wirkte Gabriel gar nicht glücklich. Für den Minister steckt in den Zahlen ein Problem. Vor gut zwei Jahren, als Gabriel im Wirtschaftsressort antrat, kündigte er das erste Mal mit großer Pose einen deutlich strengeren Kurs beim weltweiten Geschäft mit deutschen Waffen an. So ziemlich alles wollte Gabriel anders machen als die Vorgänger von CDU und FDP. Besonders in die Krisenregion am Golf, also in Länder wie Saudi-Arabien, sollte gar kein Rüstungsgut geliefert werden, versprach er öffentlich.
Bisher aber ist vom großen Politikwechsel nicht viel zu erkennen. Also holte Gabriel in Berlin zum großen Erklärversuch aus. Fast 20 Minuten trug er vor, warum die Zahlen täuschten. So seien in den 7,5 Milliarden viele unproblematische Deals enthalten, etwa der Verkauf von Tankflugzeugen nach Großbritannien oder der Export von Lastwagen, die nur formal als Rüstungsgüter gelten. Für einen Mann wie Gabriel, der sonst ohne Manuskript redet, war der Vortrag bemerkenswert. Zeile für Zeile trug er nun vom Blatt vor, er war gut vorbereitet.

Wirtschaftsminister Gabriel: Schuld sind die anderen
Foto: Bernd von Jutrczenka/ dpaDoch je mehr Gabriel redete, desto stärker wirkte der Termin wie eine Verteidigungsschlacht. Das ging so weit, dass er seine Vorgänger für so ziemlich alle fragwürdigen Geschäfte verantwortlich machte. Fast ein wenig wehleidig trug er vor, dass er nun einmal an Genehmigungen gebunden sei, die noch unter der schwarz-gelben Koalition erteilt worden seien. Veränderungen der gängigen Praxis beim Waffenverkauf, das wollte Gabriel wohl sagen, dauern abseits der markigen Versprechen in der Realpolitik eben ziemlich lange.
Worüber der Minister redete, ist eins der umstrittensten Geschäfte der letzten Jahre. So hatte die Bundesregierung vor Jahren entschieden, dass der Golfstaat Katar für 1,6 Milliarden Euro eine ganze Armada "Leopard II"-Kampfpanzer kaufen durfte. Gabriel will mit diesem Deal am liebsten gar nichts zu tun haben. So führte er aus, dass er die nötige Ausfuhrgenehmigung für die tödlichen Stahlkolosse verweigern wollte, er sei aber an anderen Ministern im Kabinett gescheitert. Schuld sind also die anderen.
Neuer Deal mit Saudi-Arabien zum Verkauf von Patrouillenbooten
Gabriel selbst sieht sich mit seiner restriktiven Exportpolitik auf der Erfolgsspur. Demnach geht schon heute das Volumen von Deals über Kleinwaffen wie Pistolen und Gewehren zurück. Zudem habe Deutschland zumindest formal Kontrollen eingeführt, damit die Empfängerländer die Waffen nicht weiter verkaufen können. Auf dem Papier gibt es diese Regeln tatsächlich, bis heute aber hat Deutschland noch nie eine solche Kontrolle durchgeführt.
Fast nebenbei kündigte Gabriel noch eine kleine Sensation ein. Ein bereits genehmigter Deal zum Verkauf von mehreren Patrouillenbooten für Saudi-Arabien soll erneut auf den Prüfstand. Das Geschäft mit einem Volumen von 1,5 Milliarden gilt den Kritikern als Beweis, dass die Bundesregierung es mit den Einschränkungen des Waffenhandels nicht ernst meint. Auf Nachfrage relativierte Gabriel jedoch wenig später, das Thema stehe seines Wissens erneut auf der Tagesordnung der Bundesregierung.
Für die Opposition war der Tag ein neuer Beweis, dass Gabriel es nicht ernst meint mit seiner angeblich neuen Politik. Folglich attestierte ihm der Linken-Rüstungsexperte Jan van Aken eine "hemmungslose Genehmigungspraxis". Die Grünen-Abgeordnete Agnieszka Brugger erklärte, bei Gabriel klaffe "zwischen Wirklichkeit und Anspruch eine hässliche Lücke der Verantwortungslosigkeit".
Zusammengefasst: Bei seinem Antritt als Wirtschaftsminister hatte Sigmar Gabriel noch strenge Kontrollen bei den deutschen Waffenexporten angekündigt - an den Golf sollte eh am besten gar nichts mehr gehen. Nun musste er satte Verkaufszahlen der Rüstungsindustrie verkünden, auch in kritische Regionen gingen viele Güter. Gabriel sieht seine Vorgänger in der Verantwortung.