Hilfe für Nordirak Koalition erwägt doch Bundestagsvotum zu Waffenlieferung

Panzerabwehrwaffe "Milan" (bei einer Vorführung 2002): Stimmt der Bundestag ab?
Foto: imagoBerlin - Entgegen ihrer ursprünglichen Planungen überlegt die Koalition, nun doch im Bundestag über die anstehenden Waffenlieferungen in den Nordirak abstimmen zu lassen. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen aus Koalitionskreisen erwägen Union und SPD, einen Entschließungsantrag in die Sondersitzung des Parlaments am kommenden Montag einzubringen, in dem die militärische Unterstützung der Kurden im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" ausdrücklich gebilligt wird.
Die Bundesregierung will am Sonntag endgültig in kleiner Runde über die Waffenlieferungen entscheiden. Bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den zuständigen Ministern am Mittwoch in Berlin hatte es noch keinen Beschluss gegeben. Dahinter steckt hauptsächlich Kalkül: Zwar sind die Prüfungen im Verteidigungsministerium weitgehend abgeschlossen - so dürfte Deutschland vor allem panzerbrechende "Milan"-Raketen, Handfeuerwaffen und Schutzausrüstung in den Nordirak liefern. Die endgültige Liste aber wollen die verantwortlichen Minister nur ungern über mehrere Tage der öffentlichen Diskussion aussetzen, bevor der Bundestag am Montag darüber debattiert. Dann will Merkel eine Regierungserklärung zu den geplanten Lieferungen abgeben.
Mit einer Abstimmung im Plenum könnte sich die Kanzlerin ausdrücklich politische Rückendeckung für ihre nicht unumstrittene Entscheidung einholen. Das Votum wäre nicht gleichzusetzen mit einem Bundestagsmandat. Ein solches Mandat ist für die geplanten Waffenlieferungen nicht notwendig, solange nur Material und keine deutschen Soldaten in den Nordirak geschickt werden. Die Grünen, aber auch Teile von Union und SPD hatten zuletzt dennoch eine Abstimmung im Bundestag gefordert.
Innerhalb der Koalition drängen vor allem die Sozialdemokraten auf einen Entschließungsantrag. "Die geplante Bundestagsdebatte darf nicht lediglich eine reine Informationsveranstaltung bleiben", sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz (SPD) SPIEGEL ONLINE mit Blick auf die Sondersitzung am Montag. "Ich empfehle der Bundesregierung dringend, dass sie keine wesentlichen Entscheidung ohne Zustimmung des Bundestages fällt."
Bundestagsexperten halten Abstimmung für wichtig
Schulz verwies auf ein Bundestagsgutachten, das er in Auftrag gegeben hatte. Darin macht der Wissenschaftliche Dienst deutlich, dass derzeit zwar keine Verpflichtung der Bundesregierung zu erkennen sei, sich die Waffenlieferungen vom Bundestag absegnen zu lassen. "Dem Bundestag bleibt es aber unbenommen, sich im Rahmen seiner parlamentarischen Verfahren mit dieser Frage zu befassen und auch einen sogenannten schlichten Parlamentsbeschluss zu fassen, in dem er in der Sache eine dezidierte Stellungnahme abgibt", schreiben die Bundestagsexperten.
Die Gutachter verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass sich auch das Bundesverfassungsgericht mit der Frage von Waffenlieferungen in Krisengebiete befassen und dabei eine Bundestagsbeteiligung anmahnen könnte. "Eine Positionierung des Parlaments könne mit Blick auf die künftige Staatspraxis oder auch mit Blick auf eine mögliche verfassungsgerichtliche Auseinandersetzung wichtig werden", heißt es in der Expertise.
In der Bundesregierung wird eine mögliche Abstimmung nicht nur positiv gesehen. Traditionsgemäß setzt sie bei umstrittenen Entscheidungen wie dem Afghanistan-Einsatz zwar stets auf eine breite Mehrheit quer durch alle Fraktionen. Gleichsam warnen Skeptiker in der Koalition, die jetzige Abstimmung könnte ein Signal setzen: So könnten Forderungen laut werden, den Bundestag von nun an immer zu beteiligen, wenn Waffenlieferungen anstehen. Der Regierung stünden dann schwierige Mehrheitssuchen bevor.