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Große Koalition: Ein Bündnis alter Bekannter

Foto: Daniel Bockwoldt/ dpa

Option Große Koalition Wie Merkel die SPD locken kann

Die Union richtet sich auf eine Große Koalition ein. Doch um die SPD in die Regierung zu locken, wird sie einen hohen Preis zahlen müssen - auch bei der Zahl der Ministerämter.

Berlin - Nein, das Wort von der "Staatsräson" ist noch nicht gefallen. Aber es schwingt jedes Mal mit, wenn sich CDU-Größen in diesen Tagen über mögliche Koalitionsoptionen äußern. "Wir müssen dem Land eine starke Regierung stellen", sagt etwa Unionsfraktionschef Volker Kauder. Die Richtung ist dabei unausgesprochen klar: Große Koalition. Alles andere wäre eine Überraschung.

CDU-Chefin Angela Merkel hat bereits Kontakt mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel aufgenommen. Dort ziert man sich. Noch. Seine Partei wartet den Konvent am Freitag ab. Nach Lage der Dinge und politischer Erfahrung dürfte sich die SPD, die die Republik seit 1949 mit aufgebaut und geprägt hat, aber Gesprächen mit der Union nicht verweigern. Die eigentlich spannende Frage ist: Wie wird daraus am Ende eine stabile Bundesregierung?

Das hängt von Merkel ab. Wenn es der Kanzlerin um das Land und eine starke Regierung geht, um in den Worten ihres Vertrauten Kauder zu bleiben, wird sie der SPD entgegenkommen müssen. Nicht nur ein bisschen, sondern ziemlich weit.

Die SPD demütigen oder umgarnen?

Die CDU hat ihren Erfolg von 41,5 Prozent bei der Bundestagswahl gefeiert und besungen. Die Party ist längst vorüber, bald steht konkrete Politik an. Und die hat ihren Preis.

Die CDU-Vorsitzende muss selbst die staatspolitische Rolle annehmen, die in ihrer Partei von der SPD verlangt wird. Natürlich werden alle wieder das alte Lied singen: Es geht immer um Inhalte! Ja, ja, aber nicht nur.

Macht ist auch eine Frage von Einfluss. Und so wird am Ende der Koalitionsgespräche auch die Vergabe der Posten stehen, die alle schon zu Beginn längst mitdenken. Merkel wird sich großzügig zeigen müssen. Großzügiger als es manche in ihrer Partei wollen. Die SPD ist zwar wieder Juniorpartnerin, doch mit rund 26 Prozent ist sie deutlich kleiner als 2005, als sie noch auf Augenhöhe in die Große Koalition ging. Nun liegen die Dinge anders. Merkel muss sich entscheiden, welchen Weg sie geht: Sie kann die SPD noch einmal demütigen, indem sie die Schwäche des künftigen Partners in der Koalition mathematisch vor aller Augen demonstriert und ihr weniger Ministerposten als beim letzten Mal einräumt.

Oder sie macht genau das Gegenteil und gibt der SPD so viel, wie ihr nach diesem halbgaren Wahlergebnis eigentlich gar nicht zustünde. Ein Vorbild dafür gibt es: Als bei den Abgeordnetenhaus-Wahlen 1995 in Berlin die SPD unter die Räder kam, erhielt sie in der Großen Koalition nach zähen Verhandlungen am Ende genauso viele Senatorenposten wie die deutlich mächtigere CDU. Die Basis der Christdemokraten schäumte - aber es wurde eine stabile Koalition, über viele Jahre.

Anfangs wird es ruckeln

Für Merkel wäre Verzicht ein kluger Schachzug. Im Gegenzug könnte sie von der SPD verlangen, keine allzu konkreten Festlegungen etwa beim Mindestlohn zu fordern - ein Thema, das in Teilen der Union umstritten ist. Auch das ungeliebte Betreuungsgeld würde die SPD schlucken - sie hat es schließlich in der letzten Großen Koalition schon im Grundsatz mitbeschlossen.

Den Preis für ein solches Entgegenkommen hätten all jene in CDU und CSU zu zahlen, die schon jetzt auf Ministerämter schielen. Das wird Spannungen erzeugen, doch die wird Merkel aushalten. Was wäre ihre Alternative? Eine Koalition mit den Acht-Prozent-Grünen, bei der die Zahl der Ministerposten für die Union zwar größer, die inhaltlichen Kompromisse aber weitgehender ausfielen? Die Union würde sich in einer solchen Konstellation Unsicherheit mit einkaufen. Das gescheiterte schwarz-grüne Lokalexperiment von Hamburg lässt grüßen! Zumal bei den Grünen nach der Wahlschlappe nicht nur eine quälende Sebstbefragung über die eigenen Fehler beginnt, sondern gerade auch das Führungspersonal neu sortiert wird - dagegen wirkt die SPD wie ein Hort an Stabilität.

Hinzu kommt: Bei der Union wird kaum jemand Lust haben auf eine kleine Koalitionsvariante mit großen Reibereien. Denn sie wissen dort nur zu gut, was das heißt. Einen ähnlich quälenden Anfang wie 2009 unter Schwarz-Gelb mit einem unsicheren Partner, der schließlich in einen monatelangen Dauerstreit mündete, will niemand in der Farbkombination Schwarz-Grün erleben.

Mit der SPD wird es anfangs auch ruckeln. Aber die Partei hat ihre Erfahrungen in Großen Koalitionen gemacht, in den Ländern, im Bund. Und die waren im politischen Alltagsgeschäft nicht immer die schlechtesten. Auch daran werden sie sich bei der SPD rechtzeitig erinnern. Und Merkel sowieso.


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