Wahl-Eklat in Sachsen Rebellen stimmen gegen Milbradts Kandidatin
Dresden - Die peinliche Schlappe übergingen die treuen Abgeordneten von CDU-Ministerpräsident Georg Milbradt im sächsischen Landtag zunächst. Sofort nachdem die stellvertretende Landtagspräsidentin die mit 70 Stimmen erfolgreiche Wahl der CDU/SPD-Kandidatin für den Posten der Ausländerbeauftragten verkündet hatte, sprangen die Unions-Mannen auf. Freudig klatschten sie, als ob die Wahl de Haas' fast so ein großer Erfolg wäre wie eine gewonnene Landtagswahl.
Die bittere Wahrheit konnte der scheinbar spontane Beifallssturm nicht vertuschen. Offenkundig waren zwei Abgeordnete aus den CDU-Reihen abtrünnig geworden und hatten - ausgerechnet - dem NPD-Kandidaten ihre Stimme gegeben - zwei mehr als die zwölf Stimmen ihrer eigenen Fraktion erhielten die Rechtsaußen.
Dass die Stimmen aus den Reihen der CDU stammen, macht rechnerisch Sinn. Gemeinsam mit der SPD hat die Union 68 Abgeordnete im Plenum. Die FDP hatte mit ihren sieben Stimmen Unterstützung für die Koalitionskandidatin zugesichert - zusammen also 75 Stimmen für de Haas. Da die PDS-Kandidatin Cornelia Ernst alle 30 Stimmen der anwesenden 30 PDS-Abgeordneten erhielt und auch die Bewerberin von Bündnis 90/Grüne alle sechs eigenen Stimmen einheimste, blieben fünf Stimmen aus der Koalition übrig. Drei Enthaltungen verzeichnete das Wahlkomitee. Da die meisten Beobachter ausschließen, dass sich jemand von der SPD für eine Stimmabgabe für die Rechten durchringen könnte, bleiben eigentlich nur zwei CDU-Mitglieder als Verdächtige.
Die beiden bösen Unbekannten
Es ist vor allem die Vorgeschichte der Wahl, die die skurrile Verschwörung gegen Milbradt noch plausibler macht. Aus Protest gegen den von vielen CDU-Abgeordneten als fast immer blass, manchmal sogar arrogant und eigentlich nie wirklich fraktionsverwurzelt empfundenen Ministerpräsidenten verweigerten ihm viele aus der eigenen Mannschaft schon vor einigen Tagen bei einer Probeabstimmung über seine Kandidatin die Unterstützung. Kaum 50 Prozent der damals Anwesenden konnte er auf seine Seite bringen. Milbradt drohte erneut ein Debakel wir vor einigen Wochen, als er erst im zweiten Durchgang zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. Auch damals fehlten ihm im ersten Votum zwei Stimmen.
Aus der Not entwickelte Milbradt Tatendrang. Die Fraktionsführung animierte er zu einer Motivationstour in den eigenen Stuhlreihen. Jeder einzelne Abgeordnete wurde zum Einzelrapport geladen und um seine Stimme "gebeten", so ein Fraktionsmitglied. Milbradts Fraktionschef Fritz Hähle drohte noch am Mittwoch öffentlich mit Rücktritt, falls die Wunschkandidatin de Haas tatsächlich durchfallen würde. Einige Abgeordnete ließen sich auf Linie bringen. Einige aber blieben hart.
CDU-Fraktionschef Hähle: "Üble Sauerei"
Die Aussagen von CDU-Fraktionschef Hähle und Milbradt selber wirkten vor dieser Kulisse realitätsfern. Gleich lautend gingen beide nach der Abstimmung davon aus, "dass die Koalition gestanden hat". Von dem Verdacht, dass unionsinterne Gegner von Milbradt aus Protest gegen den eigenen Ministerpräsidenten für die NPD votiert hatten, wollten sie nichts wissen. PDS und Grüne hingegen betonten, dass Ergebnis illustriere die Schwäche einer Koalition, die keine Linie habe. Ihr fehle die eigene Mehrheit, ergänzten die Liberalen sofort und rechneten mit Hingabe vor, dass die Ausländerbeauftragte nur durch ihre Hilfe ins Amt gekommen sei.
Immerhin ging Friederike de Haas in die Offensive. Sie appellierte an die beiden "unbekannten Parlamentarier", mit offenem Visier zu kämpfen und am besten gleich zur NPD zu gehen. Mit ihrem Verhalten schadeten sie der Demokratie, so die Politikerin. Danach ließ sich ihr Fraktionsvorsitzende Hähle zumindest zu den Worten hinreißen, es handele sich beim strategischen Seitensprung um eine "üble Sauerei".
Strahlender Gewinner des hässlichen Spiels war wieder die NPD. Ironisch gratulierte Fraktionschef Holger Apfel den beiden unbekannten Abgeordneten. Für ihn sei diese "Ohrfeige für Ministerpräsident Milbradt" ein Zeichen, dass es auch bei den "Altparteien vernünftige Abgeordnete" gebe. Anschließend führte er gewohnt ausschweifend aus, wie sehr Ausländer Deutschland schadeten und wetterte gegen die multikulturelle Gesellschaft.
Ministerpräsident Georg Milbradt muss sich auf solche Szenen auch künftig gefasst machen, wenn er seine eigene Fraktion nicht besser unter Kontrolle bekommt. Die Gerüchte um ein frühes Ende des Ministerpräsidenten werden mit dem peinlichen Wahlausgang für seine Kandidatin nicht zu Ende gehen.