Peter Tschentscher bleibt Erster Bürgermeister und kann seine Koalition mit den Grünen fortsetzen. Deren Stärke ist das eigentliche Signal von Hamburg: Die Mitte wird grün.
In Hamburg herrschen geradezu paradiesische Zustände. Wer nach dem Debakel von Erfurt ins Zweifeln gekommen ist, ob in Landesparlamenten noch stabile Verhältnisse hergestellt werden können, möge auf die Freie und Hansestadt blicken: Die Hamburger haben ihren Ersten Bürgermeister mit einem sehr starken Ergebnis im Amt bestätigt, und sie haben die regierende rot-grüne Koalition im Senat wiedergewählt. Und zwar einfach deshalb, weil sie mit deren Arbeit zufrieden sind.
DER SPIEGEL
Das ist ein starkes Signal für die Demokratie und die Parteien der Mitte in einer Zeit, in der Politiker Hass und Anfeindungen ausgesetzt sind und das Vertrauen in die demokratischen Institutionen von der demokratiefeindlichen Propaganda der AfD von rechts angegriffen und unterhöhlt wird.
Die Wahlbeteiligung ist gestiegen, auch das ist ein gutes Zeichen aus Hamburg. Der Jubel auf der Grünen-Wahlparty, die AfD sei aus der Bürgerschaft vertrieben worden, erwies sich allerdings als verfrüht. Für die AfD wurde es zwar knapp, ihr Ergebnis stabilisierte sich am Abend jedoch über fünf Prozent.
Gewonnen mit Amtsbonus und Autorität
Peter Tschentscher, dem Amtsinhaber, der sich erstmals einer Wahl stellen musste, gelang der Sieg mit seiner persönlichen Autorität, einer guten Leistung und der Beliebtheit, die er sich im Amt erarbeitet hat. Das zeigt einmal mehr, welch große Rolle Persönlichkeit und Amtserfahrung spielen. Zuletzt profitierte davon Bodo Ramelow in Thüringen. Anders als dieser wird Tschentscher keine Probleme haben, eine stabile Regierungsmehrheit zu formen. Nicht nur mit den starken Grünen, auch mit der schwachen CDU will er darüber sprechen.
Ergebnisse der Hamburg-Wahl
Ein Wahlergebnis in der Größenordnung von knapp 40 Prozent konnte Tschentscher auch deshalb erreichen, weil er in Hamburg eine Partei hinter sich hat, die sich im Wahlkampf geschlossen hinter ihrem Spitzenkandidaten versammelte. Diese Wahlkampfstrategie ist aufgegangen: "Hamburg gut regieren" war der Slogan, den die SPD kurz vor der Wahl noch plakatierte. Zudem profitierte die SPD davon, dass die über 69 Jahre alten Hanseatinnen und Hanseaten die größte Gruppe unter den Wahlberechtigten stellten - die sozialdemokratische Stammwählerschaft. Für die Grünen haben aus dieser Altersgruppe keine zehn Prozent gestimmt.
Bürgerliche wollen Klimaschutz und Verkehrswende
Katharina Fegebank wollte die erste Frau in der Geschichte der Hansestadt werden, die es schafft, als Erste Bürgermeisterin Hamburg zu regieren. Es ist ihr nicht gelungen. Dennoch ist die grüne Niederlage gegen Amtsinhaber Tschentscher von der SPD in Wahrheit ein Sieg.
Die Grünen haben mehr als 30.000 Stimmen von der SPD zu sich hinüberholen können, sie haben auch Stimmen aus dem Lager der CDU und der FDP bekommen.
Entscheidend war, dass diese Wähler aus dem bürgerlichen Lager für die grünen Kernthemen votiert haben, für entschiedeneren Klimaschutz, als ihn die anderen Parteien betreiben, für eine Verkehrswende, für mehr Diversität in der Gesellschaft. Die Mitte wird grün. Diese Herausforderung wartet auf Peter Tschentscher und seine SPD trotz ihres Erfolges.
Tschentscher weiß das, er selbst hat sich massiv zum Klimaschutz bekannt, zuletzt vor allem bei diesem Thema die Konkurrenz mit den Grünen gesucht. Noch drei Tage vor dem Wahltag präsentierte er Pläne, das Kohlekraftwerk Moorburg früher als bisher geplant vom Netz zu nehmen. Zuletzt sahen sich die Grünen immer stärker gezwungen zu betonen, sie seien das Original und Peter Tschentscher kopiere nur ihre Ideen. Es war schwer für die Grünen, sich gegen den Amtsinhaber zu profilieren, aus der bestehenden Koalition heraus deutlich zu machen, was ihr Anteil am Regierungserfolg ist, was genau sie anders oder besser machen würden.
Die Grünen im Bund haben diese Probleme nicht. Sie können die Union, die als einzige Partei in Umfragen noch vor ihnen liegt, beim Klimaschutz vor sich hertreiben und deutlich machen, dass sie ein anderes Tempo vorlegen würden im Kampf gegen die Erderwärmung und die Umstellung auf ökologisches Wirtschaften. Sie haben dazu zudem zwei sehr populäre Vorsitzende zur Auswahl für eine Kanzlerkandidatur. Das Ergebnis ihrer Hamburger Parteifreunde dürfte sie beflügeln.