Landtagswahlen Das gibt Ärger

Die CDU verpasst zwei sicher geglaubte Siege, Kanzlerin Merkel drohen interne Debatten. Die muss auch SPD-Chef Gabriel fürchten - doch er berauscht sich fürs Erste an Malu Dreyers Last-Minute-Sieg.
Vizekanzler Sigmar Gabriel, Kanzlerin Angela Merkel

Vizekanzler Sigmar Gabriel, Kanzlerin Angela Merkel

Foto: Michael Kappeler/ dpa

Viel schönzureden gibt es nicht. Sicher, die CDU könnte mitregieren in Baden-Württemberg, als Juniorpartner der Grünen, selbst ein CDU-geführtes Dreierbündnis mit SPD und FDP wird hier und da ins Spiel gebracht. Auch in Rheinland-Pfalz ist die SPD am Ende womöglich auf die CDU angewiesen (alle Zahlen im Überblick finden Sie hier).

Aber es hilft alles nichts.

Die CDU erlebt einen düsteren Super-Wahlsonntag. Die Christdemokraten haben zwei lange sicher geglaubte Wahlsiege verschenkt. Und in Sachsen-Anhalt, wo die Union stärkste Kraft geblieben ist, steht Reiner Haseloff nicht nur vor einer schwierigen Regierungsbildung. Er bekommt es künftig auch mit einer 24-Prozent-AfD zu tun. Es gebe "viel Schatten" an diesem Sonntag, heißt es bei der CDU.

Angela Merkel weiß, was das bedeutet. Die Union wird erbitterte Diskussionen führen in den kommenden Tagen und Wochen. Hat die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin die entscheidenden Stimmen gekostet? Muss sie ihren Kurs nun ändern, um Schlimmeres zu verhindern?

Das Merkel-Lager hält schon mal vorsorglich dagegen. "Das sehe ich nicht", sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber, am Wahlabend darauf angesprochen, ob nach diesen Ergebnissen eine Korrektur des Kurses angezeigt sei. CDU-Vize Ursula von Leyen erklärt Merkel gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland schnell für "unverzichtbar".

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Die loyalen Mitstreiter der Kanzlerin werden darauf verweisen, dass der Absturz der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erst richtig einsetzte, als die Spitzenkandidaten Guido Wolf und Julia Klöckner sich in Absetzbewegungen übten. Tatsächlich haben in beiden Ländern mit Winfried Kretschmann und Malu Dreyer Politiker von Grünen und SPD gewonnen, die in der Flüchtlingskrise auf Merkels Seite stehen. Kretschmann wurde vor der Wahl in der Südwest-CDU gar als Merkel-Stalker beschimpft.

Die Argumente werden die CDU-Chefin nicht schützen. Schließlich können ihre Kritiker auch auf Sachsen-Anhalt verweisen, wo Ministerpräsident Haseloff, ein ausgesprochener Verfechter einer Flüchtlingsobergrenze, die Verluste in Grenzen halten konnte.

Die CSU setzt schon auf Attacke

Die CSU, Merkels schärfster Gegner in der Koalition, deutet am Wahlabend bereits an, dass sie die Zeit für eine Wende gekommen sieht. CSU-Wirtschaftsexperte Hans Michelbach sieht eine "deutliche Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik" sogar als "einzig logische Konsequenz".

Bei allem Ärger, Merkel kann sich sicher sein, dass ihr aus den eigenen Reihen keine ernsthafte Gefahr oder gar Putschgelüste drohen. Denn noch immer gilt: Eine Alternative zur Chefin drängt sich wahrlich nicht auf. Mit Julia Klöckner wurde eine der Nachwuchshoffnungen der CDU sogar fürs Erste zurechtgestutzt.

Dennoch, der Druck auf die Kanzlerin ist mit diesem Wahlsonntag nicht kleiner geworden. Die Flüchtlingskrise harrt weiter einer nachhaltigen Lösung, der nächste EU-Gipfel muss Merkel auf ihrem Weg mit der Türkei weiterbringen. Der Widerstand im Rest Europas ist allerdings groß.

Die SPD verdrängt die Pleiten

Dazu kommt: Die Zusammenarbeit in der Koalition dürfte für Merkel in den kommenden Wochen nicht einfacher werden. SPD-Chef Sigmar Gabriel will bei der anstehenden Aufstellung des Haushalts auf Konfrontationskurs mit der Union gehen.

Das hatte er schon vor den Landtagswahlen angekündigt. Die SPD werde in der Flüchtlingskrise mehr für den "Zusammenhalt in der Gesellschaft" tun, sagt Gabriel am Wahlabend im Willy-Brandt-Haus.

Konkret heißt das: Gabriel und seine Partei wollen, dass die noch unverplanten Überschüsse im Haushalt von CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht gebunkert, sondern etwa für die Mindestrente und mehr sozialen Wohnungsbau eingesetzt werden.

Selbst an der schwarzen Null, also am ausgeglichenen Haushalt, würde die SPD dafür zur Not kratzen. Merkel und Schäuble sehen das anders - in diesem Fall würde die SPD die Aufstellung des Haushalts für kommendes Jahr und des Nachtragshaushalts für 2016 verweigern.

Der Wahlabend hat die SPD wegen der üblen Pleiten in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg ebenfalls heftig durchgeschüttelt. In beiden Ländern liegen die Sozialdemokraten nun hinter der AfD. Aber am Last-Minute-Sieg in Rheinland-Pfalz berauschen sich die Genossen so sehr, dass sie das fast schon wieder zu vergessen scheinen. Und Parteichef Gabriel glaubt, nun das große Gerechtigkeitsthema für seine Partei entdeckt zu haben. Auch wenn er gleichzeitig betont, die Kanzlerin könne auf die SPD als Pfeiler der Koalition bauen - darauf sollte sich Merkel nicht verlassen.

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