Wahlkampf-Eklat Clement widerspricht Lobbyvorwurf - SPD will ihn loswerden

Für Wolfgang Clement wird es eng: Nach seinem Aufruf, die SPD bei der Hessen-Wahl zu boykottieren, fordern Spitzengenossen seinen Austritt. Sie halten ihm vor, auf Kosten der Partei für die Atomindustrie zu lobbyieren. Doch der frühere Wirtschaftsminister gibt sich unbeirrt.

Hamburg - Peter Struck, Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier: Die Chefriege der Sozialdemokraten ist entsetzt über das Wahlkampf-Störfeuer von ihrem Genossen, Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Der hatte offen davor gewarnt, bei der Landtagswahl in Hessen am kommenden Sonntag SPD zu wählen. Jetzt droht ihm ein Parteiausschlussverfahren.

"Wer aufs eigene Tor schießt, sollte gehen, ehe er hinausgeworfen wird", sagte der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner. "Einem Lobbyisten für Atomstrom weint niemand eine Träne hinterher." Stegner spielte damit darauf an, dass Clement mittlerweile für den Energiekonzern RWE arbeitet. "Wer als ehemaliger stellvertretender Parteivorsitzender in der Endphase eines Wahlkampfs den eigenen Leuten in den Rücken fällt, ist kein Jota besser als Oskar Lafontaine", sagte Stegner.

Auch die Bundesparteispitze reagierte empört auf Clements Äußerungen. "Clement gefährdet eine erfolgreiche SPD-Wahlkampagne in Hessen", sagte Bundesfinanzminister Steinbrück, der zugleich stellvertretender SPD-Vorsitzender ist, der "Berliner Zeitung". Clements Verhalten sei "völlig unverständlich". Vizekanzler Steinmeier sprach von einem "schädlichen und unsolidarischen Zuruf" Clements.

Clement hatte in der "Welt am Sonntag" die hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti hart attackiert und davon abgeraten, sie zu wählen. Als Grund nannte Clement Ypsilantis ablehnende Haltung zur Kernenergie. "Wer es wie sie will, der muss sich klar sein: Das geht nur um den Preis der industriellen Substanz Hessens", erklärte Clement. "Deshalb wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann und wem nicht." Clement sitzt seit seinem Ausscheiden aus der Politik im Aufsichtsrat der RWE-Tochter RWE Power AG, die in Hessen das Atomkraftwerk Biblis betreibt.

Im Gespräch mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" wies Clement den Vorwurf zu lobbyieren zurück: "Ich habe die Positionen beschrieben, für die ich ein Leben lang gekämpft habe, und dabei bleibt es." Er wolle "darüber hinaus die Debatte nicht weiter befeuern".

Auch SPD-Fraktionschef Struck hatte heute verlangt, Clement aus der Partei zu werfen. Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Bad Homburg sagte er: "Wer dazu aufruft, die SPD nicht mehr zu wählen, verdient ein Parteiausschlussverfahren." Clement solle sich erinnern, wie und wodurch er Wirtschaftsminister und stellvertretender Parteivorsitzender geworden sei. "Er wäre nichts ohne die SPD!" Der saarländische SPD-Landeschef Heiko Maas sagte, statt "seinen Rausschmiss weiter zu provozieren, sollte Clement endlich von sich aus gehen".

Beim politischen Gegner herrscht dagegen Schadenfreude: Die FDP bot Clement an, ihn bei sich aufzunehmen. "Wenn Wolfgang Clement sich weiter so positiv entwickelt, schicken wir ihm einen Aufnahmeantrag in die FDP", sagte der Chef der nordrhein-westfälischen Landtagsfraktion, Gerhard Papke.

Der hessische Grünen-Chef Tarek Al-Wazir sagte, eine Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke Biblis A und B um drei Jahre würde für RWE zusätzliche Einnahmen von drei bis 3,5 Milliarden Euro bedeuten. "So dreist wie Wolfgang Clement hat schon lange niemand mehr gezeigt, für was er von der Energiewirtschaft bezahlt wird."

wal/AFP/ddp/AP/dpa/Reuters

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