Wahlkampf in Hamburg Altbürgermeister Beust rechnet mit Elb-CDU ab

Er macht es elegant, aber der Schlag sitzt. In einem Interview übt Altbürgermeister Ole von Beust heftige Kritik am neuen Kurs der Hamburger CDU - und überrascht mit einem Eingeständnis: "Wenn ich gewusst hätte, dass die schwarz-grüne Koalition knallt, wäre ich geblieben."
Ole von Beust, Erster Bürgermeister a.D.: "Ich wäre geblieben"

Ole von Beust, Erster Bürgermeister a.D.: "Ich wäre geblieben"

Foto: Fabian Bimmer/ dpa

Ole von Beust

Hamburg - Kritik kann man locker-schaumig aufschlagen wie ein Sahne-Dessert. Reichhaltig bleibt sie trotzdem. Die Vorwürfe des Hamburger Altbürgermeisters , die er sechs Monate nach seinem Rückzug aus der Politik erhebt, sind nicht sofort als solche zu erkennen. Doch sie haben es in sich.

CDU

Erstmals hat sich Beust, liberaler Metropolenkönig, der die an der Elbe fast eine Dekade lang an der Macht hielt, in den laufenden Wahlkampf eingeschaltet. Allerdings dürfte die Einmischung des zu Amtszeiten extrem beliebten Altbürgermeisters in der Partei nicht gerade für Begeisterung sorgen.

Der Kurswechsel der Elb-Union stößt Beust sauer auf - daraus macht er in einem an diesem Donnerstag gesendeten NDR-Interview kein Geheimnis. Die Rückkehr seiner Partei zu einer strikt konservativen Politik - "CDU pur" heißt bezeichnenderweise der Wahlkampfslogan - sei nicht erfolgversprechend, sagte Beust im Gespräch mit der Radiostation NDR 90,3.

"Sich auf den eigenen Kern zu reduzieren wird einem vermutlich in Wahlen die Sache nicht erleichtern", so Beusts Kritik. Die programmatische Besinnung auf die konservative Hamburger Kernklientel sieht Beust kritisch. "Für Parteien ist es grundsätzlich gut, Grenzen zu überschreiten."

Hamburg

Beusts Urteil dürfte in einer Metropole wie noch mehr gelten als in einem Flächenland. Bei 26 Prozent dümpelt die CDU, die unter Beust sogar die absolute Mehrheit geholt hatte. Die Wahl am 20. Februar gilt als entschieden, Umfragen prognostizieren eine Koalition von SPD und Grünen. Die Hamburg-Wahl, die erste von sieben Landtagswahlen im laufenden Jahr, droht für die Noch-Regierungspartei CDU zum Desaster zu werden. Die Hälfte der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten fürchtet um ihr Mandat.

"Interview hat niemanden überrascht"

Christoph Ahlhaus

Beust-Nachfolger steht wie kaum ein anderer in der Partei für den neuen, klar strukturkonservativen Kurs der Elb-Union. In seiner Amtszeit als Innensenator machte er sich schnell einen Ruf als konservativer Hardliner. In seinen Wahlkampfreden verteidigt er einen strikten Sparhaushalt und strenge Sicherheitskonzepte, schießt mit ätzendem Tadel ("ideologische Barrieren") gegen den früheren Koalitionspartner, die Grünen. Beobachter nennen die Elb-CDU bereits "Tea Party auf hanseatisch".

Beust wiederum griff nun niemanden in seiner Partei direkt und persönlich an. Das hätte auch wenig staatsmännisch gewirkt, vielmehr verbittert und etwas billig. Nein, von Beust kritisierte eleganter. Er wolle die Arbeit des CDU-Führungsduos, Ahlhaus und CDU-Fraktionschef Frank Schira, "nicht öffentlich bewerten". Jeder habe "seine Zeit, seine Politik, seine Inhalte".

Persönlich, menschlich und fachlich schätze er seinen Nachfolger sehr, sagte Beust. Doch offensichtlich habe eine liberale Großstadtpolitik mehr Wähler angezogen als der jetzige Kurs. "Und man muss abwägen, ob man gute Wahlergebnisse haben will oder nicht."

Klingt so ungeteilte Rückendeckung?

In der Senatskanzlei pocht man auf Harmonie. Beust und Ahlhaus stünden "in engem persönlichen Kontakt miteinander", sagte Senatssprecher Kristin Breuer. "Das Interview hat hier niemanden überrascht." Zudem habe Beust in dem Interview selbst eingeräumt, dass es für die CDU in einer Selbstfindungsphase kaum eine Alternative gebe als die Rückbesinnung auf Kernwerte. "Insofern versteht Herr Ahlhaus die Äußerungen von Ole von Beust nicht als persönlichen Angriff."

Der Altbürgermeister hat wenig zu verlieren. Er kritisiert mit Sicherheitsabstand, hat mehrfach betont, mit der Landespolitik habe er abgeschlossen. Sein Rückzug war nur eine Frage der Zeit, Beust galt zuletzt als amtsmüde, wollte mehr Zeit für Privatleben und Freizeit, ein Leben außerhalb der Senatskanzlei führen. In der Politik sei man schnell "durchgenudelt", so seine Bilanz in einem früheren Interview.

Auftritt mit Merkel

Im aktuellen Interview hadert er rückblickend mit der Entscheidung seiner Amtsniederlegung. "Wenn ich gewusst hätte, dass die schwarz-grüne Koalition knallt, wäre ich geblieben." Auch das könnte man indirekt als Kritik an Ahlhaus lesen. Der jetzige Bürgermeister gilt bei einigen als Hauptgrund, warum das Projekt Schwarz-Grün in Hamburg zerbrach - sobald Beust als Integrator wegfiel, musste das Projekt scheitern.

Zumindest führen die Grünen, die sich in Hamburg GAL nennen, die Personalie Ahlhaus als Stolperstein an. Andere meinen, die GAL habe das Bündnis nur aufgekündigt, um bei Neuwahlen rasch noch die aktuell stattlichen Umfragewerte abzugreifen.

Dass das Verhältnis zwischen Beust und seiner Partei offensichtlich angeschlagen ist, zeigte ein absurder Streit um Wahlkampftauftritte. Ahlhaus holte den Blankeneser Rechtsanwalt Walter Scheuerl - einen der größten Widersacher Beusts, beliebt bei der CDU-Kernwählerschaft - überraschend ins Boot. Dieser verkündete prompt, Beust, der seine Hilfe angeboten hatte, sei im Wahlkampf der CDU "nicht gefragt". Fraktionschef Frank Schira hatte Mühe, den öffentlichen Eindruck der Demütigung wieder zu reparieren.

Noch im Januar eröffnete Beust lieber die "dritte Ökostrom-Tankstelle Hamburgs", als mit seiner Partei auf Wahlkampftournee zu gehen. Zumindest ein Termin steht nun doch fest: Ole von Beust wird auf der CDU-Abschlusskundgebung mit Merkel am 17. Februar sprechen - dann, wenn der Wahlkampf fast gelaufen ist.

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