Wahlniederlage FDP streitet über Berlin-Debakel
Sind die eurokritischen Aussagen schuld am Debakel? Nach der historischen Wahlniederlage zanken die Liberalen über die Ursachen, die Fronten scheinen verhärtet - prominente Liberale rügen die Berliner Wahlplakate, die Euro-Rebellen geben sich uneinsichtig.
Berlin - Wer trägt Schuld an der historischen Wahlniederlage der Liberalen in Berlin? Am Tag danach streitet die FDP vor allem über den eurokritischen Kurs mancher Liberaler. Heftige Kritik kommt von prominenten FDP-Vertretern am Wahlkampf des Berliner Landesverbands.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, FDP-Chef in Nordrhein-Westfalen, warf dem Berliner Landesverband vor, die Euro-Debatte überdreht zu haben. Mit Wahlplakaten wie "Berlin darf nicht die Euro-Zeche zahlen" habe die Berliner FDP die sachliche Linie verlassen. Das habe Stimmen gekostet. "Das war auch nicht abgestimmt", kritisierte Bahr.
Der Vorsitzende der FDP im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, hat sich ebenfalls von Europa-Vorbehalten in seiner Partei distanziert. Nach den eurokritischen Tönen im Berliner Wahlkampf müsse wieder deutlich werden, "dass die FDP eine proeuropäische Partei bleibt", sagte Lambsdorff. Er kritisierte den polarisierenden Wahlkampf der Liberalen in der Hauptstadt: "Ich bin nicht glücklich, was hier an Plakaten geklebt worden ist."
Doch die harten Euro-Kritiker in der Partei verteidigen ihren Kurs. Der Wortführer der "Euro-Rebellen", Frank Schäffler, hat die Parteiführung davor gewarnt, bei ihrem kritischen Euro-Kurs in der Koalition einzuknicken. Das Motto gelte: "Nicht nur die Lippen spitzen, sondern auch pfeifen", sagte der Bundestagsabgeordnete.
Er hat bereits mehr als 2100 der benötigten rund 3300 Mitgliederunterschriften für eine Befragung der Basis über den weiteren Euro-Kurs der FDP zusammen. Schäffler lehnt den künftigen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM ab. Er bezeichnete seine Aktion als "Graswurzelbewegung", die von der Parteispitze nicht unterschätzt werden sollte. Die Euro-Strategie dürfe Bürgern und FDP-Basis "nicht von oben aufoktroyiert" werden.
Auch der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki will die Euro-Debatte in der Partei fortsetzen. Es sei richtig, dass die Liberalen in der Debatte über Griechenland und den richtigen Euro-Rettungskurs offensiv aufträten. "Wir dürfen das Thema nicht den anderen überlassen." Er empfahl seiner Partei, nach der Berlin-Pleite mit klarer Kante aus der Krise zu kommen. "Wir müssen den Markenkern der FDP wieder aufpolieren", sagte Kubicki am Montag in Berlin. Kubicki hatte kürzlich erklärt, die Marke FDP habe nach Einschätzung der Wähler momentan "verschissen".
Rösler: Schwierigste Situation aller Zeiten
Parteichef Philipp Rösler, der mit Spekulationen über eine geordnete Insolvenz für Euro-Sünder die Debatten verstärkt hatte, sagte, der Wahlabend am Sonntag sei für ihn der schwerste gewesen, seit er Mitglied der FDP ist. Er sprach von der "vielleicht schwierigsten Situation für die FDP seit ihrem Bestehen".
Er forderte die Partei auf, weiterzukämpfen. Es gebe ein "erhebliches Potential" für eine liberale Partei, sagte Rösler. Er nannte unter anderem selbständige Unternehmer und junge Unternehmensgründer als Beispiel für "neue Bürgerliche", die die FDP erreichen wolle.
Die FDP war am Sonntag mit 1,8 Prozent aus dem Abgeordnetenhaus geflogen. Nur 26.916 Bürger stimmten nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis für die Liberalen - damit landete die Partei noch hinter der rechtsextremen NPD und nur um 5000 Stimmen über der Tierschutzpartei, die auf 1,5 Prozent kam.
fab/dpa/dapd