
NRW-Wahlkampf: Plakate und andere Peinlichkeiten
Nordrhein-Westfalen Der Wahlkrampf
Die älteste Partei Deutschlands hat das Internet um Rat gefragt. Kann nicht schaden, dachten sich die Sozialdemokraten vielleicht, das Netz ist doch jung und frech und modern, und ehe wir jetzt überall "NRW im Herzen" kleben, wollen wir doch einmal sehen, ob dem Schwarm noch was einfällt?
Ist ihm auch. Nämlich: "Currywurst ist SPD." Angeblich die beste Idee im World-Wide-Wettbewerb, obschon eine Grüne anschließend entgeistert fragt: "Das werden die jetzt wirklich plakatieren?"
Ja, werden sie.
Der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen treibt nämlich durchaus seltsame Blüten. Da sind nicht nur ungriffige Slogans wie "Schuldenstaat oder Zukunft für unsere Kinder" (CDU), "Bezahlbare Energie statt teure Ideologie" (FDP) oder "Millionärsteuer als Schuldenbremse" (Linkspartei), sondern da ist auch schon ein kleiner Eklat zischen den ansonsten so friedlich koalierenden Roten und Grünen.
"Schön, wenn Frauen wieder Haushalt machen"
Auslöser ist ein Plakat der Ökopartei, das der Regierungschefin Hannelore Kraft zu weit geht. Das vergangene Woche präsentierte Banner zeigt Kraft und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann auf grünem Grund mit der Überschrift "Schön, wenn Frauen wieder den Haushalt machen - Grün macht den Unterschied". Eine knallige Sprechblase legte der Ministerpräsidentin in den Mund: "Zweitstimme Grün".
Und weil ein anderer Slogan der Partnerpartei auch noch "Jede Kraft braucht ihren Antrieb" lautet, soll die sozialdemokratische Frontfrau alles andere als amüsiert auf diese herausfordernde Art des Stimmenfangs reagiert haben. Wie aus Parteikreisen bekannt wurde, rief sie persönlich Löhrmann an und machte ihren Unmut deutlich. Das Plakat wurde eingestampft und ohne Sprechblase neu gedruckt.
Auf eine andere Dreistigkeit reagierte die Regierungschefin hingegen bislang nicht. So stellen Nutzer im Internet den sichtlich bearbeiteten Wahlkampfaufnahmen Krafts weniger charmante Bilder der SPD-Landesvorsitzenden gegenüber. "Gute Nachrichten von der NRW-SPD", ist über dem Arrangement zu lesen: "Die Photoshop-Vollversion ist endlich angekommen." Die Junge Union verbreitete die Provokation dann per Twitter.
Große Posen, leere Kassen
Doch auch CDU und FDP sind vor Peinlichkeiten nicht gefeit, zumal diese ausgerechnet auch noch ihre angebliche Kernkompetenz zu beschädigen drohen. Denn während sich beide bürgerliche Parteien im Wahlkampf als oberste Wächter des Haushalts gerieren und Ministerpräsidentin Kraft als "Schuldenkönigin" kritisieren, sind ausgerechnet die Kassen der Konservativen und Liberalen gähnend leer.
Im Unterschied zu anderen Parteien, die in dem extrem kurzen Wahlkampf deutlich weniger Mittel einsetzen als beim vorigen Urnengang 2010, gibt die FDP mit insgesamt 800.000 Euro fast so viel aus wie noch vor zwei Jahren. Damals setzte man eine Million Euro ein. Das Problem ist eben nur: Der klamme Landesverband muss sich einen Gutteil des Geldes von Banken leihen.
Und auch die nordrhein-westfälische CDU ist pleite, weshalb sie bei ihren Mitgliedern für die 4,5 Millionen Euro teure Kampagne sammelt. Bisher kamen nach Angaben des Generalsekretärs Oliver Wittke dabei 250.000 Euro zusammen. Die SPD wiederum mag sich als einzige Partei nicht zu den Kosten ihres Wahlkampfs äußern, so dass Wittke ihr vorwerfen kann, "eine Materialschlacht" zu betreiben. Grüne und Linke geben jeweils 500.000 Euro für Plakate und Flyer aus.
Gute-Laune-Wahlkampf der SPD
Die SPD wiederum hat angekündigt, einen Gute-Laune-Wahlkampf führen zu wollen, ihre Absicht ist klar: Die hohen Sympathiewerte für die Ministerpräsidentin sollen auf diese Weise in Wählerstimmen umgewandelt werden, getreu dem Slogan: "Wir halten zusammen." CDU-General Wittke wirft den Sozialdemokraten deswegen vor, "Trallala" zu machen, und prognostiziert ein Scheitern der Strategie.
Die Christdemokraten kommen in ihren Botschaften deutlich staatstragender und hüftsteifer daher als die SPD. "Verantwortung statt Verschuldung" etwa lautet eine. Und auch die Liberalen setzen auf weniger gefühlige Losungen: "Schulen besser machen und nicht gleicher". Immerhin erlauben sich die Grünen noch Wortspiele: "Solar statt so lala". Und: "Einmischen possible".
Sämtliche konventionellen Plakate fallen jedoch bei Werbeexperten durch. Politiker mit Kind sei langweilig, "zu gewollt", halbherzig, urteilen Branchenkenner. "Die klassischen Plakate sind völlig austauschbar", kritisiert Thomas Kirschmeier vom Kölner Markt- und Medienanalyse-Institut Rheingold. "Keiner würde sagen: Kinder sind mir egal." Von biederen Slogans bleibe nichts hängen außer: "Wir sind für die Jugend, für die Rente, blabla."
"Totale Inhaltslosigkeit mit Soße"
Das Currywurst-Banner der SPD polarisiert hingegen. "Das ist Guerilla-Marketing", so Marktforscher Kirschmeier. Mit geringem Einsatz werde große Aufmerksamkeit erzielt. Zwar sei die fette Pommes-Wurst-Schale keine politische Aussage. "Die SPD zeigt aber, dass sie nicht nur die große alte Dame ist, sondern auch jung, flexibel und locker sein kann." Dies spreche junge Wähler an und sei gerade mit Blick auf die Piraten-Konkurrenz durchaus geschickt.
Ganz anders urteilt die Düsseldorfer Agentur Grey. "In der Werbung sagt man, wenn einem nix mehr einfällt, nimmt man einen Prominenten, Kinder oder Hunde", so Kreativchef Roland Vanoni. "In der Wahlwerbung geht man einen Schritt weiter und landet an der Pommes-Bude." Als Lebensmittel stehe die Currywurst ja nicht gerade für wertvolle Inhalte. "Als Kampagnenmotiv soll die Currywurst Volksnähe ausdrücken, schmeckt aber nach totaler Inhaltslosigkeit mit Soße."
Die billigste Kampagne führen jedenfalls die Piraten: 120.000 Euro stehen den Politrebellen dafür zur Verfügung, auch sie setzten auf kostenlose Ideen aus dem Netz. Die Partei, die jüngsten Umfragen zufolge den Sprung in den Landtag schaffen könnte, wirbt nun mit der Devise "Für dieses System ist ein Update verfügbar". Und mit dem Slogan: "Lieber einen albernen Namen als eine lächerliche Politik". Das ist wahr.